Kein Alibi: Roman (German Edition)
trotz seines affektierten Gebarens und geschliffenen Stils das, was er vor Jahren gewesen war: einen dreisten Schmalspur-Strichjungen auf zweitklassiger Schwindeltour. Immer wenn er pleite war, war dieser Selbstzweifel besonders stark. Dann überfiel es ihn mit voller Wucht. Dieses Gefühl von Verzweiflung, in das sich auch ein wenig Angst mischte, endete eines Nachts mit einer Rauferei in einer Bar.
Die Schlägerei war das Beste, was ihm hatte passieren können, denn sie fand unter den Augen der richtigen Person statt. Sie hatte ihn auf seinen derzeitigen Kurs gebracht. Das Ende lag in Sichtweite. Wenn alles planmäßig verlief, würde er ein Vermögen
machen. Dann hätte er das Geld, das zu dem Bobby Trimble, der er heute war, passte. Nie wieder gäbe es einen Weg zu dem Verlierer von damals zurück.
Trotzdem – und dieses »trotzdem« war gigantisch – stieg und fiel sein Erfolg mit seiner Partnerin. Denn eines hatte er schon früher erkannt: Frauen blieben Frauen, und das war das Einzige, worauf man sich bei ihnen verlassen konnte.
Er leerte seinen Drink und gab dem Barkeeper mit der Hand ein Zeichen. »Auffüllen.«
Aber der Barkeeper starrte wie gebannt in den Fernseher. Trotz des verschneiten Bildes konnte Bobby selbst von seinem Sitzplatz aus einen Kerl erkennen, der in die ihm hingehaltenen Mikrofone quatschte. Er gehörte nicht zu denen, die Bobby bekannt vorkamen. Ein humorloser Kauz, das stand fest. Ganz geschäftsmäßig, wie die Schnüffler vom Sozialamt, die in Bobbys Kindheit ständig ums Haus geschlichen waren und sehr persönliche Erkundigungen über ihn und seine Familie eingeholt und sich in seine Privatangelegenheiten gemischt hatten.
Der Kerl im Fernsehen war wirklich eine coole Type, ein Dutzend Reporter traten sich gegenseitig auf die Zehen, um ja dicht an ihn heranzukommen. Er sagte gerade: »Die Leiche wurde heute Abend, kurz nach sechs Uhr, entdeckt und eindeutig identifiziert.«
»Haben Sie –«
»War eine Waffe im Spiel?«
»Gibt es irgendwelche Verdächtigen?«
»Mr. Smilow, können Sie uns sagen –« Bobby verlor das Interesse und rief lauter: »Ich brauche was zu trinken.«
»Hab schon gehört«, erwiderte der Barkeeper mürrisch.
»Ihr Service ließe sich um einiges verbess …«
Bobby erstarb die Beschwerde auf den Lippen. Die Kamera schwenkte von dem Kerl mit den kalten Augen zu einem Gesicht, das Bobby kannte, und zwar gut. Lute Pettijohn. Er strengte sich an, um kein Wort zu verpassen.
»Es gab keinerlei Anzeichen, dass Mr. Pettijohns Suite gewaltsam betreten wurde. Raub wurde als Tatmotiv ausgeschlossen.
Zurzeit haben wir niemanden in Verdacht.« Damit war der live übertragene Sonderbericht beendet, die Sprecher der Elf-Uhr-Nachrichten wurden wieder eingeblendet.
Wieder einmal war Bobbys Selbstvertrauen intakt. Mit einem breiten Grinsen hob er seinen neuen Drink zu einem stummen Toast auf seine Partnerin, die es offensichtlich für ihn geschafft hatte.
»Das ist alles, was ich Ihnen derzeit mitteilen kann.«
Smilow kehrte den Mikrofonen den Rücken zu, nur um hinter sich noch mehr zu entdecken. »Entschuldigung«, sagte er, während er sich einen Weg durchs Mediengewimmel bahnte.
Er ignorierte die Fragen, die man ihm nachrief, und drängte sich weiter durch die Reporter, bis sie einsahen, dass sie nichts mehr aus ihm herausholen würden, und sich allmählich zerstreuten.
Obwohl Smilow so tat, als hasste er die Aufmerksamkeit der Medien, genoss er in Wahrheit Live-Pressekonferenzen wie diese. Nicht wegen der Blitzlichter und der Kameras, auch wenn er wusste, wie einschüchternd er bei Aufnahmen wirkte, ja nicht einmal wegen der öffentlichen Aufmerksamkeit, die damit verbunden war. Sein Job war krisensicher, und er brauchte keinen öffentlichen Beifall, um ihn zu behalten.
Was er mochte, war das Gefühl der Macht, das damit einherging, gefilmt und zitiert zu werden.
Trotzdem brummte er, als er zum Ermittlungsteam stieß, das sich gleich neben dem Empfang in der Hotelhalle versammelt hatte: »Bin ich froh, dass es vorbei ist. Also, was habt ihr für mich?«
»Zero.«
Die anderen bestätigten Mike Collins’ Zusammenfassung mit Kopfnicken.
Smilow hatte seine Rückkehr vom Haus der Pettijohns ins Charles Towne Plaza zeitlich so abgestimmt, dass sie mit den Elf-Uhr-Nachrichten zusammenfiel. Getreu seiner Vorhersage hatten sämtliche Lokalsender sowie andere, weiter entfernte aus Savannah
und Charlotte, live aus der Hotelhalle übertragen, wo er den
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