Kein Alibi: Roman (German Edition)
heute Abend vielleicht sogar erwartet?
»Danke, lieber nicht«, sagte er.
»Ach, um Himmels willen«, rief sie ungeduldig, »sei kein solcher
Muffkopf. Du und ich, wir haben uns doch nie um Förmlichkeiten geschert. Warum sollten wir jetzt damit anfangen? Außerdem ist meiner Meinung nach Champagner das perfekte Getränk, wenn sich der eigene Ehemann in der Penthouse-Suite seines eigenen Misthotels in Stücke blasen lässt. Wenn du schon dabei bist, dann schenk mir auch noch einen Schluck ein.«
Ihr Glas stand neben dem Massagetisch auf dem Boden. Da Hammond wusste, wie unsinnig jede Diskussion mit Davee war, füllte er ihr Glas auf, ehe er sich selbst ein halbes eingoss. Als er ihr ihres brachte, stieß sie mit ihm an.
»Prost. Auf Beerdigungen und andere nette Ereignisse.«
»Ich kann deine Ansicht nicht ganz teilen«, sagte er, nachdem er einen Schluck getrunken hatte.
Sie strich mit der Zunge über die Lippen, um den Geschmack des Champagners noch besser zu kosten. »Vielleicht hast du Recht. Vielleicht sollte man Champagner nur bei Hochzeiten trinken.«
Als ihn ihr Blick streifte, spürte Hammond, wie ihm warm im Gesicht wurde. Sie lachte, denn sie wusste instinktiv genau, was er gerade dachte.
Dasselbe Lachen hatte sie vor Jahren in einer Julinacht gelacht. Er erinnerte sich noch genau daran. Damals waren sie beide Gäste auf der Hochzeit eines gemeinsamen Freundes gewesen. Der Empfang hatte im Elternhaus der Braut stattgefunden, wo der Garten mit Gardenien, Casa-Blanca-Lilien, Päonien und anderen duftenden Blumen geschmückt war. Der schwere, alles durchdringende Blumenduft war ihm genauso zu Kopf gestiegen wie der Champagner, den er in dem vergeblichen Versuch geschlürft hatte, in seinem Smoking nicht ins Schwitzen zu geraten.
Alle acht Brautjungfern waren hinreißende Blondinen gewesen, die einander so ähnlich sahen, als ob eine Filmagentur sie ausgesucht hätte. Davee hatte in ihrem duftigen pinkfarbenen langen Kleid mit dem tiefen Ausschnitt noch bezaubernder ausgesehen als die anderen.
»Du siehst zum Anbeißen aus«, hatte er ihr nur wenige Augenblicke vor der Trauung draußen vor der Kapelle zugeflüstert.
»Vielleicht auch zum Ausschlürfen. Zur Krönung müsste man dir ein Papierschirmchen in die Haare stecken.«
»Ein Papierschirmchen wäre der Gipfel dieses widerlichen Aufzugs.«
»Gefällt’s dir denn nicht?«, fragte er sie, um sie noch mehr zu reizen.
Sie zeigte ihm den Mittelfinger.
Als sie später beim Empfang nach einem schwungvollen Tanz zu »Shout« von Otis Day and the Knights die Tanzfläche verließen, fächelte sie sich das Gesicht und klagte: »Dieses Kleid ist nicht nur unglaublich vertüttelt, sondern auch das heißeste Stück Scheißstoff, das ich je am Leib hatte.«
»Dann zieh’s doch aus.«
Die Familien Burton und Cross waren noch vor Davees oder Hammonds Geburt miteinander befreundet gewesen. Folglich gehörte Davee bereits zu seinen Kindheitserinnerungen an Weihnachtsfeiern und Picknicks am Strand. Wenn die Kids oben ins Bett gesteckt wurden, während die Erwachsenen weiterfeierten, hatten er und Davee den armen Babysittern, die auf sie aufpassen sollten, stets übel mitgespielt.
Sie hatten ihre erste Zigarette zusammen geraucht. Mit überlegenem Gehabe hatte sie ihn in ihre erste Menstruation eingeweiht. Als sie zum ersten Mal betrunken gewesen war, hatte sie sich in seinem Auto übergeben. Kaum war sie in der Nacht, als sie ihre Jungfernschaft verlor, wieder zu Hause, hatte sie Hammond angerufen und ihm das freudige Ereignis in sämtlichen Details geschildert.
Seit ihrer Kindheit, in der sie gegenseitig ihren Wortschatz an Flüchen und Schimpfworten mehrten, hatten sie bis zu ihrer Teenagerzeit untereinander kein Blatt vor den Mund genommen. Zuerst war alles nur ein Spaß gewesen, den sie ungestraft miteinander treiben konnten. Keiner verpetzte den anderen oder war beleidigt. Als sie allmählich erwachsen wurden, bekamen ihre Wortspielchen eine sexuell-aufreizende Note, obwohl es immer noch leeres und deshalb sicheres Geplänkel war.
Vor besagter Hochzeit im Juli waren beide auf unterschiedlichen
Universitäten gewesen – er in Clemson und sie in Vanderbilt – und hatten einander lange Zeit nicht gesehen. Champagner und der romantische Anlass hatten sie nicht nur beschwipst, sondern auch emotional aufgeheizt. Als Hammond nun diesen aufreizenden Satz fallen ließ, hatte ihn Davee aus verhangenen Augen angeschaut und geantwortet: »Vielleicht tu
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