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Kein Alibi: Roman (German Edition)

Kein Alibi: Roman (German Edition)

Titel: Kein Alibi: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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verschwommen sah. Ihr Atem ging laut und rasselnd, ihr Mund war trocken. Ihr Herz raste wie ihre Schritte. Selbst als sie glaubte, keinen Schritt mehr weiterzukönnen, peitschte sie sich unnachgiebig voran. Sie hatte ganz gewiss alles übertroffen, was sie bisher an Geschwindigkeit und Ausdauer aufgeboten hatte.
    Aber dem, was sie letzte Nacht getan hatte, konnte sie trotz allem nie und nimmer entkommen.
    Laufen war ihr Lieblingssport. Sie lief mehrmals pro Woche und nahm häufig an Rennen für gute Zwecke teil. Bei der Organisation eines Laufes, bei dem Geld für die Brustkrebsforschung gesammelt wurde, hatte sie mitgeholfen. Aber an diesem Abend lief sie weder für altruistische Zwecke noch für ihre Fitness oder zur Entspannung nach einem harten Arbeitstag.
    Dieses abendliche Laufen war reine Selbstgeißelung.
    Natürlich war es widersinnig anzunehmen, durch diese physische Anstrengung ließen sich die gestrigen Sünden büßen. Wahre Buße offenbarte sich nur einem Menschen, der ehrlich und aus tiefstem Herzen bereute. Sie bedauerte, dass ihr Treffen aus Berechnung und nicht dank einer Laune des Schicksals stattgefunden hatte. Dass es sich nicht, wie er glaubte, um eine zufällige Begegnung gehandelt hatte. Leise Gewissensbisse hatten sie versuchen lassen, das Ganze zu beenden, ehe es im Bett endete. Aber trotz allem verspürte sie nicht das geringste Bedauern darüber, wie alles gekommen war.
    Keinen einzigen Augenblick bedauerte sie die Nacht, die sie mit ihm verbracht hatte.
    »Links vorbei.«
    Höflicherweise schwenkte sie nach rechts, um den anderen Jogger passieren zu lassen. Heute Abend wimmelte es von Fußgängern auf der Battery, einem beliebten Spazierweg, der Jogger, Inlineskater und auch Leute ansprach, die lediglich gemütlich bummeln wollten.
    Diese historisch bedeutsame Spitze der Halbinsel, wo die beiden Flüsse Ashley und Coopers gemeinsam in den Atlantik mündeten, stand auf dem Reiseplan jedes Touristen beim Besuch in Charleston.
    Wie die gesamte Stadt trug auch die Battery – bestehend aus dem White Point Park und dem Deich – Narben von Kriegen, Kämpfen und Katastrophen.
    Während sich hier früher der öffentliche Richtplatz und später ein strategischer Verteidigungsposten befunden hatten, diente die Battery heutzutage hauptsächlich als hübsche Kulisse und zum Vergnügen. Im Park jenseits der Deichstraße warfen uralte stolze Eichenbäume, die bösen Stürmen, darunter sogar Hurrikan Hugo, standgehalten hatten, ihre Schatten auf Denkmäler, Konföderiertenkanonen und Kinderwagen schiebende Pärchen.
    Leider hatten drückende Hitze und Feuchtigkeit nicht nachgelassen. Aber hier auf dem Deich, wo man einen Blick auf den Charlestoner Hafen und das weiter entfernte Fort Sumter hatte, machte eine leichte Brise die Luft fast samtig für diejenigen, die im Freien die letzten Reste eines wunderschönen Sonnenuntergangs genossen, der das Wochenende beschloss.
    Nachdem sie auf ein gesünderes Tempo abgebremst hatte, fand sie es an der Zeit umzudrehen. Auf dem Rückweg schoss ihr bei jedem Auftreten ein scharfer Schmerz durch Schienbein und Oberschenkel in den Lendenbereich, aber inzwischen war er wenigstens erträglich. Ihre Lunge hatte noch immer zu kämpfen, aber das brennende Gefühl in ihren Muskeln hatte nachgelassen.
    Nur ihr Gewissen saß noch immer wie ein Stachel im Fleisch.
    Den ganzen Tag über hatten sie immer wieder Gedanken an ihn und ihre gemeinsame Nacht überfallen. Sie hatte es sich nicht gestattet, diesen Erinnerungen lange nachzuhängen, denn das hätte ihr eigentliches Delikt nur noch verstärkt, wie bei einem Einbrecher, der nicht nur in fremdes Eigentum eingedrungen war, sondern auch noch den allerpersönlichsten Besitz seines Opfers verletzt hatte.
    Trotzdem konnte sie die Gedanken nicht länger zurückdrängen. Während sie ihr Trainingspensum zurückschraubte, gestattete
sie ihnen Zutritt und ließ sie verweilen. Wieder schmeckte sie die Gerichte, die sie gemeinsam auf dem Jahrmarkt verzehrt hatten, lächelte bei der Erinnerung an einen seiner albernen Scherze und spürte seinen Atem in ihrem Ohr und ihre Fingerspitzen auf seiner Haut.
    Er hatte so fest geschlafen, dass er nicht einmal aufwachte, als sie aus dem Bett geschlüpft war und sich im halbdunklen Zimmer angezogen hatte. An der Schlafzimmertür war sie stehen geblieben und hatte sich nach ihm umgeschaut. Er lag auf dem Rücken, hatte ein Bein außen über die Decke geschlagen. Das Betttuch reichte ihm bis zur

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