Kein Anschluss unter dieser Nummer - Roman
müssen.«
Will wollte seinem Vater widersprechen, doch dann wurde ihm klar - ja, Dad, du hast es mir damals verdammt schwergemacht.
»Und weißt du was, Will? Ich habe Achtung vor deinem geschäftstüchtigen Verstand.«
»Danke.« Noch so ein Moment, von dem er den Rest seines Lebens zehren würde.
»Ich denke … dachte … nur, dass du deine Talente zu ausschließlich aufs Geschäftemachen konzentrierst.«
»Im Leben Erfolg zu haben, war für mich wichtig, Dad. Das ist es noch.«
»Ja, und das ist auch gut so. Aber ich sehe es eben anders
- vermutlich ist genau das der springende Punkt bei allem! Weißt du, Will, manchmal komme ich mir so vor, als wäre ich uneins mit der ganzen Welt.«
»Wie kommt das?«
»Diese ganze Hektik, um irgendwo hinzukommen. Aber wenn man angekommen ist - ich weiß auch nicht, aber niemand nimmt sich dann die Zeit, sich anzusehen, weswegen er dort ist. Weil er zu sehr damit beschäftigt ist, es zu fotografieren. Ergibt das Sinn?«
Will verstand, was sein Vater ihm zu sagen versuchte.
»Als wäre das Leben eine Reihe von Kästchen, die man abhaken muss. Ein Sache ist erledigt, schnell weiter zur nächsten. Alle wollen immer irgendwo anders hin, schnelles Geld machen, Träume verwirklichen, die sie nie einholen … und keiner tritt auf die Bremse.«
»Bist du zufällig Dichter?« Will lächelte.
»Wer weiß?« Sein Vater lächelte zurück. »Es liegt alles im Auge des Betrachters.«
Zu Wills Bedauern waren sie schon fast am Flughafen. Die Schilder neben dem Freeway warnten vor tief fliegenden Maschinen, und Abbiegespuren leiteten die Fahrer zu verschiedenen Ankunfts- und Abflugbereichen. Der Regen wurde stärker. Er schien einen Vorhang zur äußeren Welt zu bilden, während die beiden Männer im Wagen einander schrittweise entdeckten. Will wünschte sich, sein Vater würde weiterfahren, damit sie dieses Gespräch fortsetzen konnten. Er hätte es auch vorgeschlagen - wenn da nicht diese junge Frau gewesen wäre, die im Flughafengebäude auf ihn wartete.
Bei dem Gedanken schlug sein Herz schneller.
»Technik«, fuhr Carl Thompson fort, als fände er diese ganze Sache sehr verwirrend. »Sieh dir doch nur diesen Freeway an! Die Flugzeuge da oben, der Tower, diese riesigen Gebäude - was soll das alles?«
»Das ist Fortschritt.«
»Es ist wie ein Film im Schnelldurchlauf. Wenn wir in Überschallgeschwindigkeit von A nach B kommen können, dann lass es uns bloß nicht anders tun! Wen interessiert schon, dass wir, dort angekommen, keine Zeit haben, uns umzuschauen, weil es supereffiziente Technik gibt, die uns sofort weiter von B nach C beamt!«
Will starrte aus dem Seitenfenster. Widersprüchliche Gefühle wirbelten in seinem Kopf herum. Nie zuvor hatte sich sein Vater ihm derart geöffnet. Nie.
Ihm kam ein Gedanke. »Hast du deshalb das Unterschreiben des Vertrags boykottiert?«
Carl blickte nach vorn und schürzte die Lippen, als müsse er seine ganze Energie dafür aufwenden, den Wagen in Richtung Parkplatz zu steuern.
»Vermutlich«, sagte er, als der Wagen die Rampe zum unterirdischen Parkhaus hinunterholperte.
»Dieses alte Haus … Dads altes Haus, ich hänge daran. Ich weiß, dass wir es eines Tages verkaufen müssen. Wir können es nicht bis in alle Ewigkeit leer stehen lassen. Aber ich bin nicht sicher, ob ich schon bereit bin, es aufzugeben. Mir war klar, dass du das nicht verstehen würdest.«
Will sagte nichts darauf.
»Ich weiß ja, Fortschritt und all das, Business, Effizienz,
sich von A nach B nach C bewegen - ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte.«
»Ist schon gut, Dad …« Will war zu gerührt, um noch etwas sagen zu können.
18.45 Uhr
Er kam sich ein bisschen blöd vor, am Ankunftsgate zu stehen und ein Schild hochzuhalten, das er aus einem alten Schuhkarton ausgeschnitten hatte. »Antonio Santori« stand darauf. Obendrein hatte er vergessen, Nina zu fragen, ob ihr Verlobter Englisch sprach. Will redete ganz passabel Spanisch, hatte jedoch keine Ahnung, ob es irgendwelche Ähnlichkeiten mit dem Italienischen hatte. Sein Vater hatte sich in der Buchhandlung einen Roman gekauft und sich dann an einen Kaffeestand in der hintersten Ecke verkrümelt. Er überließ Will den schwierigen Teil. Annähernd minütlich sah sich Will in dem Gebäude um und hoffte, Christy irgendwo zu entdecken. Ob sie wohl so nervös auf ihn zugelaufen käme wie er sie den ganzen Tag über erlebt hatte? Ob sie anfangen würde zu strahlen, wenn sie ihn sah?
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