Kein Applaus Für Podmanitzki - Satirisches
Frage des Abgangs, soviel sollte nunmehr klargestellt sein, ist eine Frage der Initiative und der Intuition. Der Schauspieler muß selbst zusehen, wie er trotz der Gleichgültigkeit des Autors und der Feindseligkeit des Regisseurs einen erfolgreichen Abgang bewerkstelligt. Er hat viele Möglichkeiten, durch Gestik oder Mimik und notfalls durch ein paar improvisierte Worte entsprechend nachzuhelfen.
Hier einige Tips:
Der abgehende Schauspieler schließt die Türe sehr leise und sehr langsam (mit einem womöglich sofort nachfolgenden Revolverschuß hinter der Szene).
Der abgehende Schauspieler hält kurz vor dem Abgang inne, wendet sich um, als ob er noch etwas sagen wollte, macht eine resignierte Handbewegung und geht dann erst ab.
Das gleiche, mit satanischem Gelächter statt der Handbewegung.
Wenn es sich um eine Schauspielerin handelt, entringen sich ihrer gequälten Brust die Worte: »Ich wollte dir noch sagen, Robert, daß ich im vierten Monat bin.«
Bei der Besteigung des Schafotts empfiehlt sich der herzzerreißende Ausruf: »Vater!« (der oder die Hinzurichtende hat soeben entdeckt, daß er oder sie vom eigenen Vater hingerichtet wird).
Die Liste der Möglichkeiten und Variationen ließe sich fortsetzen. Jedenfalls entscheiden sich Erfolg oder Mißerfolg im Bruchteil einer Sekunde. Wirkliche Routiniers bringen es fertig, mit einem plötzlichen Hinken oder einem Hustenanfall Abgangsapplaus hervorzulocken.
Aber die sicherste Methode besteht immer noch darin, im Parkett ein paar Verwandte und Freunde zu plazieren.
Kollektive Führung
Das folgende Kapitel befaßt sich, wie angekündigt, mit der sozialistischen Spielart der darstellerischen Kunst, genauer: mit den kollektiv geführten Ensembles, wie sie neuerdings bei uns - und nicht nur bei uns - ins Kraut schießen. Die Gagen solcher Ensembles sind für alle Mitglieder mehr oder weniger gleich, manchmal mehr, manchmal weniger, aber dafür hat jedes Mitglied das Recht, bei den täglichen Besprechungen, die dem künstlerischen Auftrag und der ideologischen Tendenz des Kollektivs gelten, ein entscheidendes Wort mitzureden. Für die solcherart entstehende Pleite ist von allen Mitgliedern kein einziges verantwortlich. Das fällt jedoch nicht ins Gewicht, denn das Kollektiv erfreut sich der finanziellen Unterstützung durch die öffentliche Hand, die sich ihrerseits der finanziellen Unterstützung durch die Steuerzahler, also durch das breite Publikum erfreut. Und das breite Publikum, so muß man wohl annehmen, bevorzugt nun eben ein Theater, das keine Spur von Persönlichkeitskult aufweist und dessen Führung von den Ensemblemitgliedern in freier, demokratischer Wahl bestimmt wird. Betrachten wir beispielsweise eine unserer altehrwürdigen Bühnen, die wir »Faust« nennen wollen.
Der Weg dieses Arbeitertheaters war niemals mit Rosen bestreut, aber in der jüngsten Zeit hat sich seine Situation immer mehr verschlimmert. Die letzte Spielzeit schloß mit einem Defizit von nahezu einer Million. Auch in künstlerischer Hinsicht macht sich ein unverkennbarer Abstieg geltend, die Vorstellungen waren im Durchschnitt von maximal 65 Personen besucht, unter denen sich eine größere Anzahl von Freikartenbesitzern befand, und ungefähr zehn Prozent des Publikums besaßen nicht einmal Freikarten, sondern schlüpften kurz vor Beginn der Vorstellung in den Zuschauerraum. Angesichts dieser kritischen Lage richtete der Vorsitzende des »Faust«-Kollektivs einen Appell an jene öffentlichen Institutionen, mit denen das Theater von seiner Gründung an verbunden war, und bat die Staatliche Lotterie um eine einmalige Subvention von 1100000 Shekel, womöglich in 50-Shekel-Noten. Die Staatliche Lotterie empfahl dem »Faust«-Kollektiv, sich an das Fußball-Toto zu wenden, worauf die kollektive Führung, bestehend aus dem Regisseur Sulzberger, seinem Assistenten Kovacs und der Schauspielerin Kischinowskaja, kollektiv zurücktrat.
In weiterer Folge dieses unblutigen Coups demissionierte auch die Geschäftsführung, die das Theater siebzehn Jahre lang verwaltet hatte, was in den Kreisen der Schauspieler lebhafte politische Unruhe hervorrief. Eine außerordentliche Vollversammlung, die stürmischste in der Geschichte des Theaters, beschloß eine durchgreifende Neuregelung des ganzen Betriebs. Sie ließ von der bisherigen Struktur nur den Namen und die Sitze übrig, die mit einem hellbraunen Plastikfabrikat neu bezogen werden sollten. Fortschrittliche Kräfte, die in der
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