Kein Augenblick zu früh (German Edition)
hob eine Augenbraue. »Sara wird dich auf der Stelle durchschauen, Lila. Sie ist darin ausgebildet, Leute zu verhören und zwar Leute, die sehr viel bessere Lügner sind als du.«
Ich schob den Einwand mit einem Schulterzucken beiseite. »Wir wissen doch gar nicht, wie viel Sara weiß oder ob sie überhaupt eingeweiht ist. Vielleicht wurde sie genauso getäuscht wie du und Jack.« Allmählich hörte ich selbst, dass sich Verzweiflung in meine Stimme schlich, und versuchte, sie zu verdrängen. Ich musste zuversichtlich klingen, nicht verzweifelt. »Vielleicht können wir Sara sogar auf unsere Seite ziehen. Sie liebt Jack. Ich kann’s nicht glauben, dass sie eine von ihnen sein soll.«
Alex seufzte. »Ich auch nicht. Aber bis vor zwei Wochen hätte ich selbst nicht geglaubt, was die Einheit wirklich macht. Die ganze Sache ist zu gefährlich, Lila. Es muss einen anderen Weg geben.«
»Du weißt genau, dass es keinen gibt. Glaub mir, wenn es einen gäbe, würde ich mich sofort dafür entscheiden. Aber diesen Plan muss ich durchziehen. Schließlich geht es um meine Mutter und meinen Bruder!«
Jetzt starrte er mich wieder wütend an. »Nein, es geht um dich!«
Ich spürte, wie meine Entschlossenheit brüchig wurde.
»Ich komme mit dir«, sagte er. »Ich lasse nicht zu, dass du das ganz alleine machst.«
Ich grinste ihn an. »War ja auch höchste Zeit, dass du das sagst.«
9
Als wir uns zu den anderen gesellten, die in Sukis und Nates Zimmer saßen, war Key zurückgekommen. Er sprang sofort auf.
»Dein Dad ist bei ihm!«, platzte er heraus.
Ich starrte ihn verblüfft an, denn einen Augenblick lang hatte ich keine Ahnung, wen er meinte. Wessen Dad war bei wem?
»Dein Dad, Lila. Er ist bei Jack im Krankenhaus.«
»Was?«, mischte sich Alex ein.
»Ich habe gerade einen Erkundungsgang im Camp hinter mir. Dein Dad ist jetzt bei Jack im Krankenhaus, mehr weiß ich nicht – wollte nicht länger bleiben, denn ich dachte, dass du das sofort erfahren solltest.«
»Mein Dad?« Allmählich sickerte zu mir durch, was das bedeutete. Oh Gott.
Alex drehte sich schnell zu mir um. »Hast du ihn denn nicht angerufen?«
Ich schluckte, meine Kehle war plötzlich so trocken wie Wüstensand. »Na ja, nicht direkt. Ich konnte ihn nicht erreichen, deshalb hab ich ihm von Maria, unserer Haushälterin, etwas ausrichten lassen. Dass wir für eine Woche auf einem Campingtrip durchs Death Valley seien. Und dann hab ich, äh, vielleicht irgendwie vergessen, ihn noch mal selbst anzurufen.« Das klang lahm. Zur Entschuldigung schenkte ich ihm ein breites und völlig falsches Lächeln.
Alex wollte etwas sagen, presste dann aber die Lippen zusammen und schüttelte nur den Kopf.
»Und er hat das wirklich geglaubt«, murmelte Key. »Aber jetzt ist er in Kalifornien, im Camp. Und will natürlich wissen, warum Jack angeschossen wurde und unter Arrest steht und warum du spurlos verschwunden bist.«
»Jack steht unter Arrest?«, rief ich geschockt.
»Na, was hast du denn gedacht?« Key schaute mich kopfschüttelnd an. »Er hat auf die eigenen Leute geschossen. Dafür verleihen sie ihm ganz bestimmt nicht die Tapferkeitsmedaille.«
»Hey, Mann – mach ihr keinen Kummer«, warf Alex warnend dazwischen.
»Keinen Kummer? Mein Bruder liegt im Koma, er ist vielleicht sogar gelähmt, steht unter Arrest und plötzlich taucht auch noch mein Vater auf – und du sagst, er soll mir keinen Kummer machen?« Eigentlich wurde mir erst in diesem Augenblick völlig klar, wie tief ich bereits in der Patsche steckte. »Was hat er überhaupt dort zu suchen?« Meine Stimme war schrill vor Panik. »Er hat immer gesagt, er würde nie mehr in die Staaten zurückkehren. Nicht einen Fuß würde er wieder in dieses Land setzen, nach allem, was mit meiner Mutter passiert ist.«
Alex legte mir beruhigend den Arm um die Schultern.
»Er weiß doch noch gar nicht Bescheid, Alex!«, rief ich. »Er weiß nicht, dass Mum noch am Leben ist. Warum ist er zurückgekommen? Er hat doch mit dieser ganzen Sache nichts zu tun?« Ich ließ den Kopf gegen Alex’ Brust sinken. »Das ist meine ganze Familie – und jetzt hat die Einheit sie alle.«
Bedrückte Stille breitete sich aus.
»Was weiß dein Vater über die Einheit?«, fragte Harvey schließlich. Er lehnte am Türrahmen, rauchte eine Zigarette und paffte den Rauch nach draußen.
»Nichts.« Der Schock ließ meine Knie weich werden und meine Stimme klang unsicher. »Er weiß nichts über sie und auch nichts über
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