Kein Biss unter dieser Nummer
half ich aus.
»Genau. Du und ich haben ihn zu seinen Lebzeiten nicht kennenlernen dürfen, doch ich glaube, so muss er gewesen sein. Oh.« Sie drückte meine Arme und schüttelte mich leicht, wie um zu sagen: »Kopf hoch und reiß dich zusammen, Sonnenschein!« Dann lächelte sie verständnisvoll. »Ich gebe zu, daran bist du nicht gewöhnt, aber ich finde es entzückend.«
Ja, klar! Mal sehen, ob du das auch noch denkst, wenn etwas Schreckliches passiert und wir einen rücksichtslosen, toughen Typen brauchen, der alles wieder ins Lot bringt, dafür jedoch keine Zeit hat, weil er an einem »Meine Welpen und ich«-Kursus teilnimmt. Das dachte ich zwar, sprach es aber nicht laut aus.
»Er hätte anrufen sollen, bevor er dich einfach so überfällt …«
»Das hat er, und sein Besuch ist kein Überfall. Er ist mein Schwiegersohn, vermutlich der einzige, den ich je haben werde …«
Ich hob die Augenbrauen. »Vermutlich?«
»… und er gehört zur Familie.« Eine leichte Brise regte sich und zerzauste Moms silberweiße Locken. Sie war noch jung – einen Monat nach Abschluss der Highschool war sie mit mir schwanger geworden –, doch ihr Haar war seit ihrer Teenagerzeit weiß. Gelegentlich wurden wir für Schwestern gehalten, was sie freute und mich nervte. Nichts gegen meine attraktive Mom, aber eine Anmache wie »Hey, ihr beiden, wollt ihr die Toastscheiben meines Sex-Sandwiches sein?« hatte mir für sechs Monate den Appetit auf Sandwiches verdorben. Meine Mom hingegen hatte sich über den Spruch ausgeschüttet vor Lachen, was die ganze Sache nur noch unwirklicher gemacht hatte. Sie hatte so heftig gelacht, dass sie beinahe vom Bürgersteig vor ein Auto gestolpert wäre, wenn ich sie nicht rechtzeitig zurückgerissen hätte.
Meine Mom war voller Widersprüche: Sie hatte die Haarfarbe einer zierlichen alten Dame und das faltenfreie, lächelnde Gesicht eines Models für Feuchtigkeitscreme. Ihre blauen Augen strahlten freundlich, und sie besaß ein höfliches, zurückhaltendes Wesen. Dennoch hat sie, ohne mit der Wimper zu zucken, haufenweise Männer aus ihrem Weg geboxt. Sie hatte sich einen Doktortitel in Geschichte erarbeitet, während sie mich fast alleine großzog (selbst ehe mein Dad sie sitzen ließ, war er ein großer Fan langer Geschäftsreisen gewesen). Um meinetwillen sorgte sie dafür, dass es bei der Scheidung nicht zu erbitterten Kämpfen kam, weigerte sich aber gleichzeitig hartnäckig, wieder ihren Mädchennamen anzunehmen. »Der Name gehört mir«, sagte sie freundlich zu dem Richter. »Selbst wenn der Mann nicht länger zu mir gehört, bleibt mir der Name bis in alle Ewigkeit. Ich lehne es ab, wieder meinen Mädchennamen anzunehmen, Sir.«
Yep. Und sie stellte ihren Namen überall zur Schau – auf Visitenkarten, Geschäfts- und Privatbriefen, PowerPoint-Präsentationen, Artikeln für verschiedene Fachzeitschriften, Vorlesungen – überall hieß es
Dr. Taylor, Professor Taylor. Ms Elise Taylor,
Ph.D
. Elise Taylor
. Dank Moms Willenskraft und der Feigheit meiner Stiefmutter bei Konfrontationen wurde die neue Frau meines Vaters in Gesprächen meist als »Antonia Taylor … Sie wissen schon, die zweite Mrs Taylor« bezeichnet.
Hi, hi.
(Ja, ich kann ein rachsüchtiges, nachtragendes Miststück sein, diese Eigenschaft habe ich geerbt. Außerdem hat Ant das nicht anders verdient. Alles. Und noch viel mehr. Aber darüber werde ich an einem anderen Tag motzen und jammern.)
Wie dem auch sei, meine Mom lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Also wählte ich (um meinetwillen) meine nächsten Worte mit Bedacht.
»Ich sehe ihn gern glücklich, doch es macht mich nervös. Ich weiß nicht, warum. Es liegt nicht an den Hunden. Ich glaube zumindest, dass es nicht an den Hunden liegt.«
»Du bist daran gewöhnt, in eurer Partnerschaft diejenige zu sein, die zu Peinlichkeiten neigt und gerettet werden muss«, traf meine Mutter den Nagel mit furchterregender Sicherheit auf den Kopf. »Die Aufgabe des Königs ist es, sich allen Katastrophen mutig zu stellen, Stärke zu beweisen, die Kontrolle zu bewahren und, sofern es die Situation erfordert, ohne Rücksicht und Skrupel zu handeln. Keineswegs erwartet man von einem König ein Benehmen wie …« Sie deutete zum Garten, wo Sinclair damit beschäftigt war, Puppi und Struppi für irgendeine Art Staffellauf aufzustellen, bei denen Hundeknochen als Staffelstäbe dienten. »… das hier!«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es
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