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Kein Biss unter dieser Nummer

Kein Biss unter dieser Nummer

Titel: Kein Biss unter dieser Nummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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mich mehr. Sie trug ausgeblichene Jeans – keine dieser künstlich ausgebleichten
prewashed
Jeans, sondern die Ich-trag-sie-pausenlos-in-zahlreichen-Suppenküchen-Jeans und ein langärmeliges rotes
University-of-Minnesota
-T-Shirt unter einer offenen schmutzig braunen Jacke, die sie schon seit Jahren besaß. Ihr Haar war zerzaust, ihre großen blauen Augen waren rot gerändert, ebenso wie ihre Nase, als hätte sie geweint oder würde gleich anfangen zu weinen.
    So ärgerlich! Verflucht! Kein Herumeiern mehr. Keine langen, unangenehmen Pausen mehr, kein Vortäuschen, dass alles in Ordnung sei, obwohl es das nicht war – nein, es war an der Zeit, den Antichristen bei den Hörnern zu packen.
    »Willst du wissen, was deine Mutter gesagt hat, als ich sie getötet habe?«
    Ihre (ungeschminkten und doch perfekten roten) Lippen teilten sich, doch sie sagte nichts. Und eine Sekunde lang konnte ich die Luft zwischen uns beinahe knistern hören. Das könnte interessant werden. Und mit »interessant« meine ich »mörderisch blutrünstig«.
    Aber das Knistern verschwand gleich darauf, denn wieder flog die Hintertür zur Küche auf, krachte an die Hauswand und wäre Sinclair ins Gesicht geschlagen, hätte er sie nicht rechtzeitig abgehalten. Er trat in den Garten und ließ die Tür behutsam ins Schloss fallen.
    »Da seid ihr ja, ihr unartigen kleinen Mistviecher! Es war nicht nett von euch, einfach so wegzulaufen. Ich war ganz
krank
vor Sorge.«
    »Das tut mir lei…«
    »Er redet mit den Hunden.« Ich seufzte und rieb mir die Augen. Konnten Vampire ein tödliches Aneurysma bekommen? Bitte, Gott, lass es möglich sein!
    »Ja, in der Tat«, sagte Sinclair und schlenderte zu uns herüber. Er trug einen anderen dunklen Anzug, der nicht billig genug war, um als lässig durchzugehen, aber auch nicht zu teuer für ein Familiendinner. »Ich würde euch beide niemals ›unartige Mistviecher‹ nennen. Sicherlich würde es mir missfallen, einen Pfahl ins Herz gerammt zu bekommen.«
    »Mein Gott!«, murmelte Laura, und Sinclair neigte höflich den Kopf. »Äh … tut mir leid. Ich hab nie … Ich wusste ja, dass Betsy etwas gemacht hat, doch ich hab nie …« Sie hielt verwirrt inne. »Ich hab dich nie bei Tageslicht draußen gesehen.«
    »Ich verstehe deine Verwirrung.«
    »Er weiß, dass er zum Anbeißen aussieht, wenn die Sonne seine Wangenknochen betont«, sagte ich. »Verurteile ihn nicht, nur weil er atemberaubend aussieht!«
    Ja, dafür wäre ich dankbar. Übrigens, mein Herz, geht es dir gut?
    Ich hatte mich an meine telepathischen Fähigkeiten noch immer nicht gewöhnt; ebenso wenig wie Sinclair. In Filmen und Comics führen Menschen mit telepathischen Fähigkeiten ganze Unterhaltungen in Dolby Surround: mit den Menschen in ihrem Kopf und mit denen, die sich leibhaftig mit ihnen unterhalten. Ich hingegen war total unfähig, zwei Gesprächen gleichzeitig zu folgen. Die Hälfte der Zeit gelang es mir ja nicht mal, mich auf eine einzige Unterhaltung zu konzentrieren. Selbst wenn ich einer der Gesprächspartner war. Ich hoffte, Laura würde nicht irgendetwas brabbeln, das mir nicht entgehen durfte.
    Ja, doch es war nicht einfach,
sagte ich auf telepathischem Weg zu Sinclair.
Aber sie ist immer noch hier, und sie ist immer noch blond. Du bist gerade zum rechten Zeitpunkt gekommen. Sag jetzt nicht »wie immer«!
    Sinclairs Arroganz kam durch unsere Gedankenverbindung laut und deutlich durch:
Ganz gewiss nicht.
    (Memo an mich:
Wie immer
-Aufkleber besorgen und sie auf alles kleben, was ihm gehört!)
    Wow! Lauras Lippen bewegten sich nach wie vor. Sie hatte keine Ahnung, dass ich nicht …
    »Stimmt’s? Was meinst du?«
    »Yep. Ich bin ganz deiner Meinung. Bei dem, was du gerade gesagt hast.«
    »Was hab ich denn gerade gesagt, Betsy?« Ihre Augen waren vor Gemeinheit zusammengekniffen. Es bestand allerdings auch die Möglichkeit, dass sie sie zusammenkniff, weil die Sonne sie blendete.
    Bevor Sinclair mich decken, mir ihre Worte zuraunen oder sie erstechen konnte, damit ich ungeschoren davonkam, erwiderte ich: »Na, was du halt gesagt hast, Laura! Und nicht nur heute. Mir kommt es vor, als brächtest du es immer wieder zur Sprache, weil du denkst, ich hätte es vergessen.«
    »Ja, nun, dass meine Schwester meine Mutter ermordet hat, will mir bedauerlicherweise irgendwie nicht aus dem Kopf gehen. Aber ich rede nicht mehr drüber«, fügte sie widerwillig und einen klitzekleinen Hauch entschuldigend hinzu. »Im Moment jedenfalls. Es

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