Kein Blick zurueck

autorisiert worden. Sie hielt inne, um sich Wort für Wort zu überlegen, was sie als Nächstes sagen wollte. Sie war bezüglich ihrer Pläne wenig mitteilsam gewesen, als sie Ellen vergangenen Juni in Strand besucht hatte, und das verfolgte sie nun. Jetzt war nicht der Moment, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, welche Konsequenzen das auch immer haben mochte.
    Wie Sie es sich erhoffen, »habe ich eine Entscheidung in Harmonie mit meiner Seele getroffen« – die Entscheidung, die mein eigenes Leben angeht, wurde schon vor langer Zeit getroffen –, und das bedeutet die endgültige Trennung von Mr. Cheney. Ich wurde letzten Sommer geschieden, und mein Mädchenname ist jetzt mein gesetzlicher Name. Außerdem habe ich seither eine Entscheidung getroffen, die sich mit meiner Seele und dem, was ich für Frank Wrights Glück halte, in Harmonie befindet, und führe nun sein Haus. Inmitten dieser herrlichen Hügellandschaft, die auf ihre Weise ebenso schön ist wie die Landschaft um Strand, hat er ein Sommerhaus gebaut, Taliesin, bei dem Umgebung und Wohnhaus in Einklang stehen und das zum Schönsten gehört, was ich je irgendwo auf der Welt gesehen habe. Wir hoffen, bald über ein paar Fotografien zu verfügen, die wir Ihnen schicken können. Ich glaube, es handelt sich um ein Haus, das auf Ellen Keys Ideal der Liebe begründet ist. Nächster Nachbar, eine halbe Meile entfernt, ist Franks Schwester, wo ich nach meiner Ankunft zunächst untergebracht war. Im Glauben an das Glück ihres Bruders hat sie unsere Liebe ausgesprochen loyal gefördert… Meine Kinder hoffe ich, von Zeit zu Zeit bei mir zu haben, doch das ist derzeit noch nicht möglich. Ich habe einen guten Sommer mit ihnen allein verbracht, beim Camping in den kanadischen Wäldern…
    Ich wünsche Ihnen nun frohe Weihnachten und kündige an, dass Frank Ihnen einen kleinen Hiroshige schicken wird, den Sie, wie wir beide hoffen, gerne in Ihrem neuen Haus aufhängen werden. Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre freundschaftlichen Worte und vertraue darauf, mein Leben zu leben, und ich glaube auch, dass ich das in einer Weise tue, deren Sie sich, als ein Zeugnis des Glaubens an die Schönheit und Reinheit und Vornehmheit von Ellen Keys wunderbaren Worten, nicht schämen müssen.
    Ihre Sie verehrende Schülerin
    Mamah Bouton Borthwick
    Taliesin
    Spring Green, Wisconsin

U.S.A.
Kapitel 38
    23. Dezember 1911
    Ein so schmerzliches frühes Weihnachtsfest mit den Kindern letzte Woche in Chicago. Niemand fühlte sich in dem Hotelzimmer wohl. Und dann Edwin, der unerwartet freundlich war und mich am Ende der mir zustehenden eineinhalb Tage beiseitenahm, um mir überglücklich sein Geheimnis anzuvertrauen. Nicht einmal die Kinder hat er bisher in seine Pläne eingeweiht, im August diese Frau, Elinor Millor, zu heiraten. Angeblich ist sie eine von Lizzies besten Freundinnen; wie kommt es dann, dass ich noch nie von ihr gehört habe? Wie großartig Edwin sich vorkam, als er mir anbot, ich dürfe die Kinder einen zusätzlichen Monat haben, wenn er im Sommer auf Hochzeitsreise geht.
    Ich sollte mich für ihn freuen. Ich sollte mich glücklich schätzen, wenn Edwin sagt, sie empfinde nur liebevollste Fürsorge den Kindern gegenüber. Stattdessen, ich schäme mich, es zuzugeben, fühle ich mich dumm und verraten. Oder vielmehr ersetzt. Darf nicht zu viel daran denken, sonst werde ich mit Sicherheit verrückt.
    Frank hatte seinen eigenen »Feiertag« – aß mit den Kindern und Catherine in der Stadt seinen Truthahn und begleitete sie dann alle zum Einkaufen. Er sagt, er werde am ersten Weihnachtsfeiertag nicht nach Oak Park zurückkehren, denn das würde Catherine nur in ihren Fantasien bestätigen. Also werden wir beide allein hier ein ruhiges Weihnachtsfest verbringen – unser erstes in Taliesin.
    Eiszapfen bilden um das Haus den schönsten gläsernen Vorhang. Sie hängen vom Dachrand bis in den Schnee hinunter. Frank hat ein paar japanische Holzschnitte aufgehängt, die wir in Berlin gekaufthaben. Das Haus fühlt sich allmählich an wie ein echtes Zuhause. Keine Teppiche und wenige Möbel, aber hier und da hat er mit Dingen aus der Natur Stillleben zusammengestellt – aus Steinen, Kiefernzapfen und beerenbesetzten Zweigen. So wunderschön.
    Mamah bemerkte das Pferd als Erste. Sie kochte Kaffee, als sie draußen das Wiehern hörte. Die Straßen um Taliesin waren in der letzten Woche unpassierbar gewesen, und die Arbeiter kamen inzwischen zu Pferd. Doch heute war Samstag, zwei