Kein Blick zurueck
nächsten Tag stand Frank grübelnd in ihrem Arbeitszimmer am Fenster und wartete. Von seinem Standort aus hatte er einen guten Blick über die Zufahrt. Um zehn bog eine Gruppe von drei Reitern vom Highway ab und ritt auf das Haus zu.
»Bleib hier«, wies Frank sie an.
Als es an die Küchentür klopfte, öffnete Frank. Bei den Männern handelte es sich um je einen Reporter des Journal , des Chicago Record Herald und der Tribune . Den Reporter des Journal hatten sie zu ihrem Sprecher erkoren.
Mamah schlich sich auf den Flur, um besser lauschen zu können.
»Niemand der hier Anwesenden möchte so seine Feiertage verbringen, Mr. Wright. Ihnen persönlich gilt unser Respekt und unser Verständnis. Tatsache aber ist, dass die Chefredakteure der Meinung sind, Zeitungen seien nur mit Hilfe sensationeller Nachrichten zu verkaufen. Das ist es, was die Leute wollen.«
»Damit will ich nichts zu tun haben«, sagte Frank.
»Sir, das haben Sie bereits. Hier sind die heutigen Ausgaben.«
Sie hörte Frank fluchen.
»Mr. Wright, warum erzählen Sie uns nicht Ihre Seite der Geschichte? Ich glaube wirklich, dass die Menschen Verständnis aufbrächten, und damit könnte der Geschichte ein Ende gemacht werden.«
»Das ist richtig«, sagten die anderen.
Sie hörte, wie die Tür mit einem Knall geschlossen wurde, und sah Frank mit den Zeitungen verzweifelt ins Wohnzimmer gehen. Als sie zu ihm ging und das oberste Blatt vom Stapel nahm, überlief sie ein eiskalter Schauer. Wie in einemwohlbekannten Albtraum prangte auf der ersten Seite des Journal ihr Bild. Neben ihrem Konterfei schrien schwarze Lettern »Neueste Nachrichten«.
MRS. CHENEY UND WRIGHT ERNEUT DURCHGEBRANNT
BERÜHMTER ARCHITEKT AUS CHICAGO LEBT MIT EINER GESCHIEDENEN FRAU ZURÜCKGEZOGEN IN HILLSIDE, WISCONSIN;
EHEFRAU LÄSST ER ZU HAUSE ZURÜCK
NACHDEM IHM NACH DER ERSTEN ESKAPADE VERZIEHEN WURDE, HÄNGT ER JETZT EIN ZU-VERMIETEN-SCHILD AN SEINEM HAUS AUF
Sie warf einen Blick in die Chicago Tribune . Mitten auf der ersten Seite war ein Artikel mit einer ähnlichen Schlagzeile platziert. Mamah schauderte, als sie die zwei Jahre alten, aufgewärmten Berichte über ihre Liebesaffäre las. Doch die Tribune war einem Tipp gefolgt und hatte das Büro von Wrights Anwalt, Sherman Booth, aufgesucht und war dort mit Catherine zusammengetroffen, die darauf beharrte, dass es sich bei der Frau in Wisconsin um Franks Mutter und nicht um Mamah handelte. Zu der Mauer befragt, die Frank zwischen dem Studio und dem Haus errichtet hatte, beteuerte Catherine, dass Frank einen Teil des Hauses vermietete, weil es zu groß geworden sei.
Mamah kam der Gedanke, dass Catherine möglicherweise geistig labil war. Warum sonst würde sie solche Fiktionen aufrechterhalten?
»Diese Schweine haben meiner Tochter aufgelauert«, knurrte Frank. Seine Stimme klang mörderisch.
Mamah las den betreffenden Absatz in der Tribune , auf den er sie hinwies.
Vor dem Bungalow erwiderte Wrights siebzehnjährige Tochter auf alle Nachfragen mit einem gleichförmiges »Wir haben nichts zu sagen«. Als man ihr eine Ausgabe mit dem Bericht über den jüngsten Sündenfall ihres Vaters vorlegte, wirkte sie überrascht und amüsiert.
»Wir sind, was den sensationellen Charakter dieses Falls angeht, allmählich abgehärtet«, sagte sie schließlich mit einem Lächeln, »und kümmern uns eigentlich nicht sehr darum, weder so noch so. Teilen Sie nur im Namen von Mr. Wright und Mrs. Wright und den kleinen Wrights mit, dass wir nichts von dieser schrecklichen Geschichte wissen und dass sie offenbar nicht der Wahrheit entspricht.«
Es war die Bravour, die die junge Catherine im letzten Absatz an den Tag legte, die Mamahs Herz einen Stich versetzte. Sie erinnerte sich, dass das hübsche blonde Mädchen sehr schüchtern gewesen war.
»Frank, erwarten dich deine Kinder wirklich zu Weihnachten?«
»Ich habe Catherine unmissverständlich erklärt, dass ich an Weihnachten nicht zurückkommen werde.«
»Hast du es aber deinen Kindern gesagt?«
Frank hob die Arme. »Ich habe versucht, mit meinen Kindern zu reden.«
»Catherine weiß, dass du hier mit mir zusammenlebst, nicht wahr? Sie glaubt nicht wirklich, dass du dieses Haus für deine Mutter gebaut hast – «
»Oh, um Himmels willen. Natürlich nicht. Sie zieht uns alle in ihren Wahnsinn mit hinein. Nach all dem wird kein einziger Kunde mehr übrig bleiben.«
Mamah sah aus dem Küchenfenster und stellte fest, dass ihre Vermutung sich bestätigte: Die Reporter
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