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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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Anhängerin Ibsens ab, der Mamahs spirituelle und physische Leitfigur sei. Dieser Absatz ließ Mamah bitter auflachen. Sie hatte die Sekretärin nie kennengelernt. Tatsächlich hatte sie einiges von Ibsen gelesen, doch ihn als ihre spirituelle und physische Leitfigur zu beschreiben? Was bedeutete das überhaupt?
    Doch es musste nichts bedeuten, um den Lesern die Botschaft dieses Artikels nahezubringen. Catherine ist der Engel, dachte Mamah. Und ich bin der Teufel.
    Eine ganze Woche lang wütete der Skandal in den Zeitungen weiter. Einige Eltern in Hillside nahmen ihre Kinder aus der Schule, aus Angst, sie könnten durch die Nähe zu Taliesin verdorben werden. Von Madison bis Chicago zogen Geistliche jeglicher Couleur von ihren Kanzeln herab gegen Frank und Mamah zu Felde. Die Kirche in Oak Park, der Mamah angehört hatte, strich sie aus ihrem Register.
    Zu Beginn der Belagerung hatten die Reporter regelmäßig die neuesten Ausgaben als Köder vor die Tür gelegt. Sie und Frank hatten die Zeitungen Tag für Tag ins Haus geholt. Die Reporter bekamen, was sie sich wünschten – eine betroffene Reaktion, die am folgenden Tag veröffentlicht wurde. Seit die Arbeiter auf dem Gelände patrouillierten, waren keine Zeitungen mehr aufgetaucht. Frank war erleichtert, doch ihr fehlten sie. Vielleicht war Mrs. Upton Sinclair stark genug, sich der Lektüre der Tageszeitungen zu verweigern, doch Mamah konnte sich nicht zurückhalten. Die Artikel strotzten vor verzerrenden Darstellungen, enthielten jedochauch das eine oder andere Körnchen Wahrheit – korrekte zeitliche Abfolgen, wahrheitsgemäße Zitate.
    Sie bat Josiah, ihr sämtliche Chicagoer Zeitungen mitzubringen, deren er am Bahnhof habhaft werden konnte. Er bedachte sie mit einem traurigen Blick. »Sie strotzen vor Lügen«, sagte sie, »aber noch schlimmer wäre, nicht zu wissen, was drinsteht.«
    Am dritten Januar wurde Wisconsin von einer bitteren Kälte heimgesucht. Beim Aufwachen stellten sie fest, dass Luckys Wassernapf in der Küche gefroren war. In mehrere Schichten Wolle eingepackt, verfluchte Frank den nutzlosen Heizkessel und ging hinaus, um mehr Holz zu holen. Sie beobachtete vom Fenster aus, wie er sich bückte, eine Handvoll Schnee aufhob und sich damit das Gesicht wusch. Er sammelte einen Arm voll Scheite, kam damit ins Haus und feuerte den Herd an und entzündete im Wohnzimmer ein loderndes Feuer im Kamin.
    Sie ließ die Backofentür offen stehen, bis ihre Finger wieder ordentlich funktionierten. Sie setzte sich in die Küche und machte eine Bestandsaufnahme. Auf dem Herd waren Flecken, wo etwas übergelaufen und nicht aufgewischt worden war. Im Wohnzimmer stachen ihr in der grauen Asche vor dem Kamin Fußabdrücke ins Auge. Die Laken mussten gewechselt und das Badezimmer musste geschrubbt werden. Als ihr warm genug war, öffnete sie die Tür, um nachzusehen, ob Josiah eine Zeitung für sie hingelegt hatte. Sie hatten seit zwei Tagen keine Zeitungen mehr gesehen, und sie hatte angefangen zu glauben, der Sturm habe sich gelegt. Doch hier, in der mittleren Spalte auf der Titelseite der Chicago Tribune , hatte einer der Chefredakteure einen letzten boshaften Artikel abgefeuert.
    FLUCHT ZERREISST DEN KINDERN DAS HERZ
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    Mrs. Cheneys Kinder beten, dass sie zurückkommen möge, doch nur eines der Kinder hegt noch Hoffnung.
    Mamah ließ die Zeitung auf den Küchentisch fallen, kreuzte die Arme und presste sie an die Rippen, während sie den Artikel las.
    Die drei Kinder Edwin H. Cheneys und Mamah Bouton Borthwicks, seiner geschiedenen Frau, haben die Hoffnung aufgegeben, ihre Mutter jemals zurückzugewinnen.
    »Ich schätze, sie kommt nicht zurück«, sagte der neunjährige John heute auf dem Heimweg von der Holmes-Schule nach Oak Park.
    »Wir drei Kinder beten jeden Abend für sie, aber ich schätze, Gott kann uns nicht hören oder so was, denn außer Martha glaubt keiner von uns mehr daran, dass sie zurückkommen wird.
    Jessie und ich haben eine Menge über sie in der Zeitung gelesen, wenn wir die Möglichkeit dazu hatten, aber sie halten sie meistens von uns fern, und dort steht vieles, was wir nicht verstehen. Martha ist noch zu klein, um Zeitung zu lesen, deshalb wünscht sie sich einfach weiter Mama. Sie spricht fast ständig von ihr.«
    Mamahs gequälter Aufschrei rief Frank aus dem Wohnzimmer herbei. Er las den Artikel und sagte: »Das haben sie sich ausgedacht. Es ist schwer, sich eine derartige Grausamkeit vorzustellen, aber sie haben John diese Worte

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