Kein Blick zurueck
immer so zurückhaltend und würdevoll. Ich kann mir die ständigen Belästigungen nur ausmalen, die du auszuhalten hattest. Wir wurden ununterbrochen behelligt. Die Reporter gafften in Taliesin zum Fenster herein – «
»Oh, tatsächlich ?« Der Sarkasmus in Lizzies Stimme war schneidend.
»Es war nie meine Absicht, dass du unter all dem zu leiden hättest. Das verstehst du doch sicher. Ich habe dich mein ganzes Leben lang geliebt und bewundert. Du bist meine einzige wahre Heldin. Ich schulde dir alles.«
Lizzie streckte die Hand aus und streifte die Blätter von einem Zweig. »Du wolltest immer etwas Großes leisten. Etwas Bedeutendes .«
»Ist das so schrecklich? Du bist es, die einmal zu mir gesagt hat, die Welt verzeihe einer Frau nicht ihren Ehrgeiz.«
»Ich bin nie dahin gekommen, es herauszufinden. Mein Ehrgeizschien immer nicht in den Lauf der Dinge zu passen. Du warst an der Universität, als Mutter krank wurde, also fiel es an Jessie und mich. Und als Jessie starb, warst du bereits verheiratet. Dein Leben war klar vorgezeichnet. Plötzlich gab es eine Nichte großzuziehen, und dann…« Lizzie hielt inne. »Dann musstest du deine Persönlichkeit entdecken.« Sie warf eine Handvoll Blätter beiseite. »Du hattest alles. Du hattest einen wunderbaren Mann, der dich vergötterte, hübsche, gesunde Kinder. Freiheit. Keine Geldsorgen. Ein Kindermädchen und eine Haushälterin. Du musstest nicht arbeiten, und Edwin verlangte nie etwas von dir. Ist dir klar, was du für Frank Wright alles aufgegeben hast? Ein Leben, von dem die meisten Frauen – die meisten Feministinnen – träumen.«
Sie gingen schweigend weiter. Mamah suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, die Richtung zu ändern, die ihr Gespräch genommen hatte. »Wie geht es Jessie bei der Familie ihres Vaters?«, sagte sie schließlich.
»Jessie versucht… sie versucht, sich anzupassen. Ich dachte, es sei besser, wenn sie bei ihnen lebt, zumindest vorerst. Sie ist nicht mit Edwin verwandt. Ich arbeite den ganzen Tag. Und jetzt, ohne Louise…«
»Wie meinst du das?«
Lizzie sah sie verdutzt an. »Louise ist nicht mehr bei uns. Ich dachte, du wüsstest das. Elinor fand, dass sie sie nicht brauchte. Sie hat sie entlassen.«
Mamah stockte der Atem. O Louise, du musst dich irgendwo zu Tode grämen. Wie konnte diese Frau Louise entlassen? Sie war Johns Ein und Alles, seit er ein Baby gewesen war. Und von Martha ebenfalls. »Wo ist sie hingegangen?«
»Sie ist zu ihrem Bruder gezogen. Sie sucht eine neue Familie. Ich hoffe, sie findet etwas, denn Louise ist inzwischen einundfünfzig. Möglicherweise wird sie von der Gnade ihresBruders abhängig bleiben.« Lizzie wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Ich werde bei Gelegenheit auch ausziehen. Sie haben mich nicht darum gebeten, aber Elinor verdient ihre Privatsphäre.« Sie waren um den Block gegangen und standen jetzt vor dem Seitentor. Lizzies Augen wurden schmal. »Was willst du von mir?«
Mamah streckte den Arm aus und nahm die Hand ihrer Schwester. »Ich weiß, dass es eine große Bitte ist, Lizzie, aber sag dich nicht von mir los. Ich bitte dich. Bitte verzeih mir, dass ich nicht mehr auf deine Gefühle geachtet habe.« Lizzies Hand fühlte sich matt an, unverbindlich.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht tauchte Elinor auf. »Nun«, sagte sie, »ist heute nicht ein schöner Tag? Das ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen.«
Als Mamah sich zum Gehen wandte, sah sie John mit gesenktem Kopf in großen Schritten über den Rasen auf das Haus zukommen, und beim Gehen bewegte er die Lippen, als trällere er etwas vor sich hin. Inzwischen wirkte er sogar noch größer als im April, als sie ihn nach ihrer Rückkehr aus Japan zum ersten Mal wiedergesehen hatte. Als er den Kopf hob und sie im Garten stehen sah, wurden seine dunklen Augen groß wie Untertassen. Er blieb wie angewurzelt stehen.
»Johnny!« Mamah ging auf ihn zu und zog seinen steifen Körper in eine unbeholfene Umarmung. »Ich hätte dich beinahe verpasst. Gehst du mit mir ein Eis essen?«
Der Junge wirkte völlig verdattert. Es schmerzte sie zu sehen, wie er zuerst Lizzie, dann Elinor ansah. Mamah drehte sich um und sah, dass beide nickten.
»Gut.« Er warf Lizzie seinen Baseballhandschuh zu.
»Sollen wir zu Peterson’s gehen?«
»Nein«, sagte er und trat von einem Fuß auf den anderen. »Das ist zu weit.«
Zu peinlich, dachte Mamah. Wahrscheinlich trafen sich dort seine Freunde.
»Es gibt einen
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