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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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Lebensmittelladen, der Eis hat«, sagte er. »Nur zwei Straßen weiter. Kennst du den?«
    »Ja. Komm, wir gehen hin.«
    Sie gingen in südliche Richtung. John ertappte Mamah, als sie zu den Belknaps hinaufsah. Er sagte: »Ellis wohnt nicht mehr dort. Seine Familie ist nach Wisconsin gezogen.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Sie haben mich diesen Sommer für eine Woche nach Waukesha eingeladen. Papa sagte, von dort aus könne ich den Zug nach Spring Green nehmen, wenn ich dich besuchen komme.« Seine Augen glänzten. »Allein.«
    Die Vorstellung von John allein in einem Zug verstörte sie. Sie schluckte schwer und bemühte sich, ihre Stimme fröhlich klingen zu lassen. »Das hört sich so erwachsen an.«
    Noch einmal blickte sie zu dem schwerfälligen viktorianischen Bau hinüber, der nun nicht mehr länger ihre Nemesis beherbergte. In den letzten vier Jahren hatte sie jedes Mal, wenn sie an Oak Park gedacht hatte, Lucy Belknap gehört, die an den Sonntagabenden ihre Mädchen am Klavier begleitete, während diese »Jesu, Heiland, führe du« sangen. Es war merkwürdig, zu wissen, dass die Belknaps nicht mehr da waren. Und auch Louise nicht.
    »Ich sehe, dass du ein richtiger Steinesammler geworden bist«, sagte Mamah und berührte beim Gehen sachte den Arm ihres Sohnes.
    »Mhmh«, sagte er mit gesenktem Kopf. Beiläufig vergrößerte er den Abstand zwischen ihnen auf dem Gehweg um einen halben Meter. »Tante Lizzie nimmt uns mit.«
    Auf dem Rückweg nach Chicago hatte Mamah auf der ganzen Strecke pochende Kopfschmerzen. Der Schmerz setzteein, als sie sich von John verabschiedete und zusah, wie er ins Haus ging. In diesem Moment überfiel sie eine unklare Wut. Als sie schließlich die E1 erreichte und einen Sitzplatz fand, wollte sie mit den Fäusten auf den Sitz trommeln, bis das Leder platzte.
    Sie stützte den Ellbogen auf das geöffnete Fenster und presste die Fingerknöchel gegen den Mund. Unter ihr bespritzten sich Kinder in Badeanzügen auf einem nassen Rasen mit einem Wasserschlauch.
    So vieles, worüber sie nicht hatte nachdenken wollen. Doch nun hatte sie Bilder im Kopf, die nicht mehr verschwinden wollten.
    Elinor Millor war in Mamahs altes Leben geschlüpft wie in ein gut sitzendes Kleid. Sie wirkte, als wäre sie schon immer da gewesen, als sie lächelnd auf der Schwelle stand, mit Lizzie plauderte, John das Haar zerzauste, als er ins Haus rannte, das Geräusch der zufallenden Fliegengittertür wie ein Echo hinter sich.
    Du wolltest immer etwas Großes leisten. Lizzies Worte brannten zwischen ihren Ohren. Es stimmte. Sie hatte immer ein Zeichen setzen wollen, Teil einer größeren Welt als Boone oder Port Huron oder Oak Park sein wollen.
    Doch was war aus all diesem Ehrgeiz geworden? Sie hatte sich mit zwei kolossalen Persönlichkeiten verbunden. Verausgabte sich für Frank Wright und Ellen Key, die Großes geleistet hätten, auch ohne je ihre Bekanntschaft zu machen. Verausgabte sich seelisch, indem sie die Unverletzlichkeit des Individuums verteidigte, während John und Martha ihrem Zugriff entglitten.
    »Wirst du mit mir reden?« Frank stand neben dem Sessel, in dem sie eingenickt war.
    Mamah schrak auf, als sie seine Stimme hörte. Sie hatte geträumt,und ihr Gehirn hatte beinahe exakt die Ereignisse des Nachmittags rekapituliert, den sie in Oak Park verbracht hatte. Außer dass in diesem Traum Catherine Wright auf der Straße an ihr vorbeigegangen, ihr wie ein Geist gefolgt war und im Zug ihr gegenüber Platz genommen hatte.
    Mamah sah sich im Zimmer um und begriff, dass sie sich in Chicago befand, im Kutschenhaus. »Wann bist du hereingekommen?«
    »Gerade eben.«
    Sie wies mit den Augen auf einen Stuhl, der in der Nähe stand, und er zog ihn heran und setzte sich ihr gegenüber. »Ich werde nicht lange bleiben – ich weiß, dass du hierhergekommen bist, um allein zu sein. Ich wollte dir nur etwas sagen.«
    In Franks Augen standen Tränen, die ihm über die Wangen liefen. Sie nickte.
    »Ich bin noch nie jemandem ein guter Freund gewesen. Ich weiß nicht, wie das geht. Ich bin in dieser Hinsicht verkümmert. Ich hatte immer das Gefühl, ich könnte mir nehmen, was ich wollte, weil ich es verdient hätte. Ich hielt es für meinen Lohn.« Er senkte den Kopf und presste einen Moment lang Daumen und Zeigefinger auf die geschlossenen Lider. »Für die harte Arbeit, die ich leistete, für das, was ich der Welt zu geben hatte. Und die Welt hat mir gute und freundliche Menschen über den Weg geschickt, die mich

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