Kein Blick zurueck
weiß, dass…«
Mamah schüttelte den Kopf. »Ich brauche ebenfalls eine Auszeit, Frank, von Edwin und von Oak Park. Und von dir. Ich muss die Sache überdenken.« Sie wischte sich über dieAugen und zuckte die Schultern. »Ich muss den Weg finden, der für mich richtig ist.«
Nach ein paar Minuten sah Mamah zu, wie er untröstlich in seinen Wagen stieg und wartete, bis sie ihre Scheinwerfer einschaltete und davonfuhr. Sie hatte das Richtige getan, das, was ihr am schwersten fiel. Und doch lag kein bisschen Erleichterung darin.
Kapitel 8
Mamah und Edwin hoben gleichzeitig den Kopf, als das Hämmern einsetzte. Die Junisonne brannte bereits um acht Uhr morgens herab, und die Betonstufe unter ihren Füßen war warm. Am Haus der Belknaps lehnte eine große Leiter. Darauf stand ein Zimmermann und nagelte Schindelbretter auf eine Fensteröffnung im zweiten Stock.
»Seltsam«, sagte Edwin und zog sein Jackett aus und legte es sich über den Arm. »Das ist das Fenster zu einer Abstellkammer neben dem Schlafzimmer, nicht wahr? Warum würde jemand es mit Brettern vernageln wollen?«
Mamah knabberte an einem Nagelhäutchen. »Ich weiß es nicht.«
Er zuckte die Schultern. »Die Menschen sind seltsam. Ein tadelloses Fenster, selbst wenn es zu einer Abstellkammer gehört.«
Edwin küsste sie auf die Stirn und trat auf die Straße.
Sie hockte auf der Schwelle. Irgendwo bearbeitete ein Specht kontrapunktisch zu dem Gehämmer einen Baum. Sie stellte fest, dass die geflügelten Samen vom Ahorn der Nachbarn in ihrem Blumenbeet winzige Schößlinge hatten sprießen lassen. Sie bückte sich und riss sie aus der Erde.
Ich wünschte, du wärst grausam, Edwin, dachte sie. Ich wünschte, du wärst falsch oder faul oder egoistisch. Alles, nur nicht nett.
Mamah blickte zu dem Fenster hinauf und fragte sich, was die Nachbarmädchen im letzten Sommer wohl gesehen hatten. Franks Hand auf ihrer oder Schlimmeres? Sie stellte sich vor, dass die Mädchen, in der Hoffnung, mehr zu sehen, ihre Überwachung über den Winter aufrechterhalten hatten. Hatte ihre Mutter sie ertappt, und sie hatten gestanden?
Nur noch drei Tage, bis sie in den Zug nach Boulder steigen konnte. Drei Tage. Doch sie erkannte deutlich, was sie zu tun hatte. Wenn Edwin heute Abend nach Hause kommt, dachte sie, sage ich ihm die Wahrheit. Bevor jemand anderes es tut.
Mamahs Schwester Lizzie kam auf ihrem Weg irgendwohin um die Hausecke. Als sie Mamahs Gesicht sah, blieb sie stehen. »Geht es dir gut? Du siehst krank aus.«
»Nein.«
»Was nein? Bist du krank?«
»Hast du einen Augenblick Zeit zum Reden?«
Lizzies Blick wanderte die Leiter hinauf zu dem zugenagelten Fenster. Als sie ihren Blick wieder Mamah zuwandte, waren darin Schuldgefühle zu lesen, als wäre sie selbst bei einer Lüge ertappt worden. »Natürlich, Mame.« Sie legte ihren Beutel ab und setzte sich auf die Schwelle.
»Ich bin nicht krank, Lizzie, aber gut geht es mir auch nicht. Da ist etwas…« Mamah fing noch einmal von vorne an. »Ed und ich waren in letzter Zeit nicht glücklich. Ich schätze, das weißt du.«
Lizzie griff in ihre Tasche und holte ihre Zigaretten heraus. Eine davon gab sie Mamah, dann ließ sie sich Zeit, sie für sie anzuzünden, ehe sie sich selbst eine ansteckte. »Geht es hier um Frank Wright?«
»Dann weißt du also Bescheid.« Mamah sah Lizzie ins Gesicht,konnte aber nichts darin lesen. Emotionslos wie ein Alabasterei. »Weiß Edwin es auch?«
»Ich bin mir nicht sicher, wie es ihm hätte entgehen können.« Lizzies Ton war sachlich. »Aber ich schätze, es wäre möglich.«
Mamah starrte auf den Asphalt, ihr Magen ein einziger Knoten. »Ich bin mir selbst abhandengekommen, Liz.«
Ihre Schwester nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. »Menschen machen Fehler. Du kannst das wieder in Ordnung bringen.«
»Nein. Ich meine, es geht über Frank hinaus. Ich habe Edwin geheiratet, und langsam…« Sie zuckte die Schultern. »Im Augenblick habe ich das Gefühl, wenn ich in diesem Haus bleibe, wenn ich noch viel länger so tue, als ob, geht das, was noch von mir übrig ist, zugrunde.«
Lizzie blickte ihr in die Augen. »Frank Wright ist dir in dieser Situation nicht gerade eine Hilfe.«
»Doch, das ist er. Frank hat mich daran erinnert, wer ich vorher war. Mit ihm kann ich reden , Liz. Ich konnte nie richtig mit Ed reden.« Mamah lachte traurig auf. »Manchmal denke ich, der Grund, weshalb er und ich es so lange miteinander ausgehalten haben, ist, weil du mit am
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