Kein Blick zurueck
seit über einem Jahr kein gemeinsames Schlafzimmer mehr, und trotzdem will sie nichts von einer Scheidung wissen.«
»Es ist alles so traurig.«
Frank schwieg. Als er wieder sprach, klang seine Stimme verzweifelt. »Henry Ford war diese Woche im Studio. Am Montag.« Er schaute beharrlich aus dem Seitenfenster. »Es war eine Katastrophe.«
»Inwiefern? Was ist passiert?«
»Er wünschte ein Treffen wegen eines Landhauses. Als er kam, konnte ich einfach… ich konnte kein bisschen Begeisterung aufbringen.«
Sie betrachtete sein Profil.
»Das ist nicht der einzige Auftrag, der mir in letzter Zeit durch die Lappen gegangen ist. Ich bin irgendwie vor einer Wand angelangt. Ich kann so einfach nicht mehr weiterleben. Ich habe die furchtbare Ahnung, dass mein Schicksal darin bestehen wird, für den Rest meiner Tage in Oak Park Häuser auszuspucken, bis ich am Zeichentisch tot umfalle.« Er stieß einen grimmigen Seufzer aus und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. »Seltsam, nicht wahr, dass ein Mann von der Statur eines Henry Ford sich in meinem Studio blicken lässt – ich endlich nach all diesen Jahren eine gewisse Anerkennung bekomme – und dass es kaum etwas bedeutet.«
»Ich verstehe.«
»Weißt du, was eines Tages auf diesem Gelände gebaut werden wird? Kleine, verputzte Schachteln, die irgendein Arsch dann ›Präriehäuser‹ nennt. Komplett mit ›Frank-Lloyd-Wright-Fenstern‹, für so gut wie nichts bei einer billigen Glasfirma in Chicago zu haben. Erkennst du die Ironie darin?« Als er ihr den Blick zuwandte, sah sie etwas Neues, eine verletzte Empörung. »Ich bin in dieser Stadt ein Paria, seit ich hierher gezogen bin, und jetzt habe ich auch noch Nachahmer! Sie glauben, es ginge nur darum, den Zierrat wegzulassen, wie die Erfinder der Reformkleidung. Diese Hurensöhne sind nicht einmal intelligent genug, die richtigen Ideen zu klauen.«
»Die Kunden, die verstehen, worum es geht, werden den echten Preis bezahlen, Frank.«
»Weißt du, was nicht stimmt?« Seine Finger spielten mit ihrem Haar. »Ich will dich, Mame. Neben mir. Ich will in die Welt hinaustreten und die Dinge mit klaren Augen betrachten, so wie mit zwanzig. Ich habe das Gefühl, als hätte ich kaum gelebt . Ich brauche eine Auszeit – ein spirituelles Abenteuer – « Er schwieg nachdenklich. »Kuno Francke ist nicht der einzige Deutsche, der hinter mir her ist. In Berlin gibt es einen Drucker namens Ernst Wasmuth. Er stellt hochwertige Kunstbücher her, und er ist überzeugt davon, dass er mit einer Monografie über meine Arbeit gutes Geld verdienen könnte. Es wäre ein Statement zu dem, was ich gemacht habe. Und würde hoffentlich Aufträge nach sich ziehen. Ich weiß es nicht. Aber ich habe mit ihm darüber gesprochen, im August nach Deutschland zu reisen.«
»Niemand macht, was du machst, Frank. Eine Monografie wäre deine Chance, internationalen Ruf zu erlangen«, sagte sie. »Du musst gehen. Es ist für dich der nächste Schritt.«»Du verstehst nicht. Es würde einen enormen Arbeitsaufwand bedeuten, alles vorzubereiten. Ich könnte ein Jahr lang fort sein.«
Kummer stieg in ihr auf. Sie verschränkte die Arme und presste ihre Fingernägel ins Fleisch.
»Komm mit, Mamah. Du liebst Berlin – das hast du mir erzählt. Mach Ferien – Frauen unternehmen ständig irgendwelche Reisen. Wir könnten es versuchen und herausfinden, ob es funktioniert.«
»Wenn es nur so einfach wäre.« Sie schüttelte den Kopf. »In gewisser Weise ist es für dich einfacher, dass Catherine Bescheid weiß. Ich hätte es Edwin beinahe erzählt, aber als du nichts von dir hören ließest, bin ich davor zurückgeschreckt.« Mamah spürte, wie ihr heiße, salzige Tränen über die Wangen und in den Mund liefen. »Ich dachte, du wolltest mich nicht mehr.«
»Mamah…«, sagte Frank. Er zog sie an sich.
»Wir stecken zu zweit in dieser Sache«, sagte sie. »Siehst du nicht, wie unmöglich das alles ist? Ich kann nicht an derselben Stelle weitermachen, an der wir aufgehört haben, wieder mit dieser Heimlichtuerei. Es kostet mich zu viel Kraft.« Sie rutschte unruhig auf dem Ledersitz hin und her. »Ich gehe für eine Weile nach Colorado zu Freunden, Mattie und Alden Brown. Mattie bekommt im September ein Kind, und sie braucht Gesellschaft. Ich fahre mit den Kindern hin, sobald John mit der Schule zu Ende ist.«
Frank sah sie verblüfft an. »Das tust du nicht.«
»Doch.«
»Herrgott.« Er seufzte. »Schau, ich warte bis September, wenn ich
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