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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck
Autoren: Nancy Horan
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verneigte sich tief und küsste ihr die Hand.
    »Er ist aus Deutschland gekommen, um sich meine Arbeit anzusehen. Ich habe ihn bereits durch drei andere Häuser geschleppt. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich ihm Ihr Haus zeigte?«
    »Überhaupt nicht.« Mamah warf Frank einen wütenden Blick zu, während Mr. Francke sich die Decke ansah.
    »Mrs. Cheney spricht fließend deutsch«, sagte Frank.
    »Tatsächlich?«, sagte der Mann mit schwerem Akzent. »Verzeihen Sie, wenn ich die englische Sprache verpfusche, aber ich übe noch. Ich versuche, Ihren Architekten davon zu überzeugen, dass seine Talente in Amerika vergeudet sind. Die Avantgarde der deutschen Architektur ist den modernen Architekten hier haushoch überlegen. Mit Ausnahme von Mr. Wright, der, wie ich finde, der Beste von allen ist. Ihm wäre derzeit weit besser gedient, wenn er in Deutschland arbeitete.«
    »Nun, ich kann mir keinen besseren Ort für ihn vorstellen«,sagte Mamah. »Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich war gerade im Begriff, mich anzukleiden, um auszugehen.«
    Als sie über den Flur davonrauschte, rannte Frank hinter ihr her und holte sie ein. »Komm heute Abend zu einem Treffen auf das Feld. Neun Uhr. Tust du das?«
    Sie gab ihm keine Antwort, verschwand im Schlafzimmer und schloss die Tür.
    Zerschlage mein Herz, dreifaltiger Gott. Lass mich auf der Stelle stehen bleiben. Bitte.
    Als sie in Richtung Norden auf die Prärie zufuhr, ertappte sie sich dabei, dass sie in Sonetten betete. Sie blickte sich um und erwartete halb, irgendwo ein gleißendes Licht aufleuchten zu sehen. Doch der Himmel blieb schwarz und still. Soweit sie es im Dunkeln erkennen konnte, waren seit ihrem letzten Treffen keine neuen Fundamente errichtet worden. Das Feld sah noch genauso aus wie früher, von ein paar gitterförmig angelegten Straßen begrenzt.
    Mamah dachte an ihren Weggang von zu Hause.
    »Versammlung heute Abend«, rief sie Edwin zu. Sie trug ein schlichtes Kleid, weder zu langweilig noch zu elegant, ein Kleid für eine Versammlung.
    »Geh! Mach, dass du aus dem Haus kommst. Und amüsier dich!«, rief er zurück.
    Jetzt saß sie mitten auf einem Feld allein in seinem Auto. Sie wusste, wie die Prärie bei Tageslicht aussah – Gruppen aus Gräsern und Bäumen. Letzten Sommer hatten sie und Frank es gewagt, sich bei Sonnenuntergang auf die Erde zu legen. Sie hatten sich überraschend sicher gefühlt, von der maisgelben Savanne verborgen, vom Duft der feuchten Erde umgeben. Doch heute, im Licht des abnehmenden Mondes, konnte Mamah nur die Silhouetten der großfrüchtigenEichen erkennen, die ihre gespenstischen Äste in den Nachthimmel reckten.
    Es war neun Uhr, und Frank war noch nicht aufgetaucht. Sie überlegte sich, zurückzufahren, als sie die Scheinwerfer eines Wagens in die Straße einbiegen sah, die zu diesen Parzellen führte. Kalte Erregung überlief sie, und sie nahm die Decke vom Rücksitz.
    Was, wenn es nicht Frank war? Was, wenn der Projektentwickler beschlossen hatte, aus irgendeinem Grund zu den Grundstücken hinauszufahren? Wie sollte sie sich erklären, hier draußen in der Dunkelheit? Sie machte die Tür auf und schlüpfte vom Fahrersitz und versteckte sich, in die Decke gehüllt, hinter dem Wagen.
    Zerschlage mein Herz. Zerschlage mein Herz.
    Der Wagen hielt ein paar Meter von ihrem entfernt. Sie spähte um die Stoßstange herum und sah Frank aus seinem Wagen springen und auf ihren zulaufen. Mamah trat hinter dem Auto hervor.
    Frank sprach kein Wort, hielt sie nur fest und wiegte sie in seinen Armen.
    Sie saßen im Studebaker und schauten auf die Felder hinaus, die sie umgaben. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. In dem schwachen Licht konnte sie grüne Triebe ausmachen, die sich durch die vertrockneten Grasbüschel schoben.
    »Du siehst gerade so wunderschön aus.«
    »Pssst.«
    »Ich meine es ernst.«
    »Versuch nicht, mich zu becircen.«
    »Ich dachte, du verstündest es.«
    »Du hättest von dir hören lassen können, Frank. Ich habe eine Weile in der Hölle geschmort.«
    »Ich wollte zu dir kommen. Es gab nicht einen Tag…«
    Mamah fühlte, wie etwas in ihr nachgab. Sie nahm seine Hand und strich mit den Fingern über die vertraute Kontur.
    »Sie hält sich nicht an die Vereinbarung«, sagte er. »Sie lebt in ihrer eigenen Welt. Weißt du, wie sie ihre Tage verbringt? Sie füllt ein Notizbuch mit sentimentalen Gedichten über das Vatersein und mit abgeschnittenen Haarsträhnen der Kinder. Wir haben
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