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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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auf der Suche nach den haarsträubendsten Abgründen in der Umgebung Villino Belvederes, von denen aus er die unter ihnen liegende Stadt fotografieren konnte.
    Eines Nachmittags nahm er sie mit zu einem Aussichtspunkt und brachte ihr bei, wie man die Kamera bediente. Von ihrem Standort aus sah Florenz aus, als sei es von einem weißen, beweglichen, durcheinanderwirbelnden Fluss überschwemmt, der einmal hier eine Straße frei ließ, dann dort ein hohes Gebäude, ehe er alles wieder bedeckte. Taylor und Mamah wechselten sich am Sucher ab, während sie darauf warteten, dass der Nebel aufriss und eine Villa freigab, die ihnen zuvor ins Auge gefallen war. Von Zeit zu Zeit entstiegdas prachtvolle Gebäude wie eine Insel den wabernden Nebelschwaden.
    »Ich möchte ein Foto von Ihnen machen«, sagte Mamah. Taylor posierte geduldig auf einer Steinmauer, während sie für die richtige Bildkomposition die Kamera hin und her rückte. Dabei unterhielten sie sich die ganze Zeit über ihre Kindheit. Sie bemerkte, wie sorgfältig Taylor ihre jüngste Geschichte umging. Auch bat er sie nicht um ein Foto.
    Als der Morgen zunehmend heißer wurde, traten Mamah und Frank, mit einem Rucksack und einem von Estero zubereiteten Mittagessen gerüstet, aus der schweren grünen Haustür von Villino Belvedere. Mittlerweile boten sie den Einheimischen einen vertrauten Anblick, wenn sie Hand in Hand durch die antiken Straßen spazierten, er mit einem Spazierstock, den er sich unter den Arm geklemmt hatte, sie mit einem breitkrempigen Hut. Gegen Mittag standen sie im obersten der terrassenförmig angelegten Gärten der Villa Medici.
    Es handelte sich um einen prachtvollen, abgeschiedenen Ort, der auf der einen Seite, dem Hügel zugewandt, von einer langen, mit Rosen überwucherten Pergola begrenzt wurde, auf der anderen von der überwältigenden Aussicht auf den durch Florenz mäandernden Arno. Bei dieser Gartenterrasse handelte es sich um einen von drei grünen Räumen, die sich stufenförmig den Hügel hinabzogen. Es gab keine zentrale Freitreppe, die die einzelnen Gartenebenen miteinander verband. Man betrat die einzelnen Gärten vom Haus oder seitlich von kleinen Wegen aus.
    »Gärten sagen so viel aus über eine Kultur, findest du nicht?« Mamah dachte laut, außer Atem nach dem Anstieg. »Man kann genau erkennen, was den Menschen wichtig ist.«
    Frank stand in Hörweite, als sie das sagte, erwiderte jedochnichts. Sie wusste, er war mit seinen Gedanken irgendwo anders, ganz in den Anblick des Ortes versunken. Sie hatte gelernt, ihn in solchen Momenten in Ruhe zu lassen.
    Er ging über die Kieswege, stieg hügelauf und hügelab, durchmaß die verschiedenen Außenräume, die die Villa umgaben, und betrachtete das Haus aus der Ferne. Der Verputz schimmerte golden. Doch bei genauerer Betrachtung schien er kurz vor dem Zerfall zu sein.
    Niemand war zu Hause, und der Gärtner bestand darauf, dass sie ihr Mittagessen unter der Pergola verzehrten.
    »Siehst du die Bäume dort?«, sagte Mamah und deutete auf ein Zypressenpaar, das die Aussicht auf die gegenüberliegenden Hügel einrahmte. »Man hat sie absichtlich dorthin gepflanzt, wie Ausrufezeichen, als wollten sie sagen: ›Schaut euch das an! Ist das nicht etwas Besonderes?‹«
    Frank betrachtete den Hügel gegenüber. »Mmm. Mir sind diese kleinen Häuschen aufgefallen, die dort am Hang kleben. Sie wirken so natürlich wie die Bäume und die Felsen.« »Wie typisch«, sagte Mamah, »ich bin von diesem prachtvollen Haus und dem Garten ganz begeistert, und du, du schaust dir Lehmhütten an.«
    »Ich sehe den Garten«, lächelte Frank. »Er erinnert mich an Japan.«
    Sie tat so, als würde sie sich über ihn ärgern. »Ich habe dich hierhergeführt, damit du dir diese Terrassen ansiehst. Damit du dich unter die Pergola setzt und darüber sprichst, wie sehr diese Terrassen die Linie zwischen Haus und Natur zum Verschwinden bringen. Ich fand mich ziemlich schlau, als ich diesen kleinen Ausflug plante.«
    »Ja, nicht wahr?«
    »Ja, ich stellte mir vor, du würdest sagen, ›Mamah, hier möchte ich für alle Zeit mit dir wohnen. Komm, wir bauen uns dort drüben auf dem Hügel eine Villa.‹ Und ich würdein Ohnmacht fallen und ja sagen. Stattdessen sagst du, es erinnert dich an Japan.«
    Er lachte. »Aber ich habe an etwas anderes gedacht. Mir ist aufgefallen, wie die Bauern hier das Land bestellen. Und das hat mich an die japanischen Bauern erinnert, die für ihre Felder die schönsten Terrassen

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