Kein Blick zurueck
anlegen, ähnlich wie hier, von oben nach unten angeordnet. Du schaust dich von deinem schönen Haus aus um und erkennst die Menschenhand, die das Land bearbeitet.«
»Und du siehst keine Wildnis? Ist das nicht eigentlich das, was Frank Lloyd Wright gerne sehen möchte?«
»Ich möchte ein Stück unbebautes Land sehen, ja. Aber…« »Aber der Mensch ist Teil der Natur«, sagte sie.
»Ja, genauso wie jedes andere Lebewesen auch. Die Muster, die wir schaffen, indem wir das Land bestellen und nutzen – tatsächlich handelt es sich um archaische Bilder, die in unserer Psyche verankert sind, denke ich, deshalb empfinden wir sie als natürlich schön. Ein Bauer fängt nicht an, etwas anzubauen, weil er nach künstlerischem Ausdruck sucht. Er denkt praktisch. Er arbeitet mit den Konturen seiner Felder. Der Rhythmus des Geländes findet einen Weg, sich zu behaupten, und das führt dazu, dass der Bauer in Umbrien mit seinen Weizenfeldern wunderbar geschwungene Linien schafft und anderswo ein Gittermuster. Wenn man sich nach dem Land richtet, kann man ein Haus bauen, das organisch daraus erwächst.«
»Und was empfindest du hier ?«
»Ich glaube, diese Gärten wurden eher von einem Mann angelegt, der Häuser liebte, als von einem Gärtner. Ich bewundere diesen Ort – bis zu einem gewissen Grad.«
»Ich meine Italien. Wie empfindest du Italien?«
»Merkst du das nicht? Nur ein Dummkopf könnte sich dieser Magie entziehen. Die Hügel…«
»Lass mich raten. Sie erinnern dich an Wisconsin.«
»Das tun sie.« Er zuckte lächelnd die Schultern. »Sehr sogar.«
Am Tag darauf nahmen sie die Straßenbahn, die auf der nach Pinien duftenden Straße nach Florenz hinunterführte. Als sie in der Stadt ankamen, beschlossen sie, die Museen Museen sein zu lassen und den Hügel zur Piazzale Michelangelo hinaufzusteigen. Frank führte sie an Villino Fortuna vorbei, dem Haus, das er nach seiner Ankunft in Florenz zuerst gemietet hatte.
»Wir sind dort fast erfroren«, sagte er. »Lloyd, Taylor und ich mussten unsere Finger am Feuer wärmen, damit sie überhaupt funktionierten.« Es war erst drei oder vier Monate her, seit er in diesem Haus gewohnt hatte, doch er zeichnete dieses Bild, als wäre es vor langer Zeit gewesen. So war Frank. Er konnte einen Zufall in eine Legende verwandeln.
Dicht unter der Hügelkuppe ruhten sie sich auf einer Bank neben einer kleinen Kirche aus. Frank trat dicht an das Gebäude heran und beobachtete einen Arbeiter, der den Verputz mit Ockerpigment einfärbte. Neben und über der Tür wucherte Kletterjasmin, doch zwischen den Ranken konnte Mamah die in den Stein eingravierten Worte ausmachen. »Über der Tür steht etwas«, rief sie ihm zu. » ›Haec est porta coeli.‹ «
Ein sonnengebräunter Arbeiter, der sich ein Taschentuch um die Stirn gebunden hatte, blickte vom Verputzen auf und versuchte, ihre Unterhaltung zu entschlüsseln.
»Mein Latein ist eingerostet«, rief Frank zurück. »Was heißt das? Wir kommen alle in die Hölle?«
»Nein, nein«, rief sie zurück. »›Hier befindet sich das Tor zum Himmel.‹«
Nachmittags waren sie zu müde, um nach Fiesole zurückzukehren, und nahmen ein Zimmer in einem Gasthaus inder Nähe der Piazza della Repubblica. Abends aßen sie in einem Café auf der Piazza. Sie und Frank beobachteten die frühabendlichen Spaziergänger. Ein gut gekleidetes Paar bei seiner Promenade; ein alter Mann, der eilig einen Karren voller Abfälle vorbeischob, während das Echo der Karrenräder sich an den nahen Gebäuden brach. In ihrer Nähe steckte ein zweites Touristenpaar über einem kleinen Tischchen die Köpfe zusammen, ihr Zwiegespräch ein leises Gesumm.
»Lassen Sie sich Zeit, Madam, und genießen Sie die Aussicht«, sagte der Kellner, als Mamah ihm sagte, dass sie noch nicht so weit seien, ihre Bestellung aufzugeben. »Dies ist für mich die schönste Zeit des Tages.«
»Arbeiten Sie schon lange auf dieser Piazza?«
» Si, signora. Seit zwölf Jahren in diesem Hotel. Die Piazza ist das Wohnzimmer des Italieners. Ich empfange hier meine Freunde.«
»Sind Sie nie gereist?«
»Nein. Warum sollte ich? Die Welt kommt irgendwann zu mir, genau hier auf diese Piazza.«
Mamah lachte und übersetzte die Unterhaltung für Frank. »Nun frag den Herrn, ob ich dieses weiße Tischtuch kaufen kann, denn ich möchte gleich etwas darauf zeichnen.«
Der Kellner zuckte die Schultern. »Non c’› problema.«
Mamah bestellte Suppe für sie beide.
»Bitte ihn, mit dem
Weitere Kostenlose Bücher