Kein Blick zurueck
Mamah, wir sind hier in Italien. Wir wären verrückt , wenn wir hier keine Kleider kauften!« »Ich habe nur gefragt.«
Er stieß sie leicht am Arm. »Und jetzt sieh es dir an.«
Sie wickelte das Päckchen aus und spürte darin etwas Weiches. Es war ein Kleid – eigentlich zwei, ein hauchzartes Satinunterkleid mit zierlichen Trägern und ein Überkleid aus durchsichtigster, mit spinnwebfeinsten Stickereien und Perlen besetzter cremefarbener Seide –, wie sie es noch nie gesehen hatte.
»Das ist exquisit, Frank.«
»Trag es heute Abend.«
»Aber das ist ein Kleid für die Oper.«
»Und heute ist eine festliche Gelegenheit. Wir haben die Mappe fertiggestellt. Ich will feiern.«
Abends brachte Estero das Essen. Sie breitete das weiße Tischtuch über den Gartentisch, legte die Gedecke auf und stellte das Essen auf ein nahe stehendes Beistelltischchen. »Fettunta… bistecca…« Die kleine, grauhaarige Frau zählte sämtliche Gerichte auf, vom Brot bis zum Rindfleisch, das mit gegrillten Zwiebelchen umlegt war, und alles Mögliche in allen möglichen Variationen, eingerieben oder mariniert oder geröstet, mit Olivenöl und Knoblauch satt. Sie stellte eine Schüssel mit gedünstetem Spinat auf das Tischchen, dann individuelle Karamelcremes, die sie zum Dessert zubereitet hatte. Estero schüttelte den Kopf, als sie das tat. Es war nicht die Art und Weise, wie sie dieses Essen serviert hätte – alles gleichzeitig –, doch sie wusste, sie wollten unter sich sein.
Mamah vermutete, dass Frank Taylor gesagt hatte, was er anziehen sollte, denn er erschien in Anzug und Krawatte. Frank trug seinen neuen Anzug. Er verbeugte sich formvollendetvor Mamah, als sie in dem Kleid, das er für sie gekauft hatte, in den Garten trat.
Seine formvollendeten Manieren amüsierten sie. Er spielte die Rolle des huldvollen Gastgebers, wies ihr und Taylor förmlich ihre Plätze zu und servierte ihnen dann mit der übertriebenen Ernsthaftigkeit eines englischen Butlers Esteros Abendessen.
Nebenan begannen die Russen ihr abendliches Konzert. »Ah«, sagte Frank und hielt beim Servieren inne, um in der Luft zu schnuppern, als könne er die Klangkaskaden aus dem seitlich gelegenen Fenster riechen. »Das Boccherini-Menuett.«
»Einfaches Essen«, sagte er und riss ein Stück knuspriges Brot auseinander, »ist das einzig gute Essen. Meine Mutter wusste das, und der italienische Landbewohner weiß es auch. Ist euch aufgefallen, dass die Italiener denselben Instinkt auf den Bau ihrer Häuser anwenden?« Er stippte sein Brot in ein wenig Öl. »Oder ist Ihnen diese Tatsache bei Ihren Ausflügen in vergoldete Kathedralen entgangen, Woolley?«
»Es ist mir aufgefallen, Sir.«
»Und was haben Sie vorgefunden?«
»Eine organische Architektur, Sir.«
»Sie haben Häuser gesehen, die aus demselben Lehm erbaut sind, wie die Etrusker ihn benutzten«, sagte Frank. »Gebäude, die ganz natürlich der Erde entsprungen sind, auf die sie gebaut sind.« Er wies mit der Gabel auf Taylor. »Lehmhütten sind Architektur gewordene Volksmärchen der Menschen. Achten Sie auf die Volksmärchen, Woolley.«
»Ja, Sir.«
»Sie kehren zurück in die Wüste. Wo werden Sie sich dort nach Inspiration umsehen?« Frank wartete die Antwort nichtab. »Sie sehen sich die Wüste an, die Berge. Von welcher Form dort geht wirklich Magie aus? Bilden die Berge in der Ferne vielleicht ein Dreieck? Der große Mormonentempel bietet Ihnen nicht die geringste Hilfe. Jede Landschaft enthält latent ihre eigene Poesie. Lassen Sie die Konturen des Landes und der Pflanzen zu sich sprechen und Ihnen die Geometrie ihrer Seele enthüllen. Dann wühlen Sie mit den Händen in der Erde und machen sich mit ihrer Beschaffenheit vertraut.«
»Ja, Sir.«
»Ich mache mir Ihretwegen keine Sorgen, Woolley.«
»Danke, Sir.«
»Und jetzt sagen Sie mir etwas. Fühlen Sie sich der Aufgabe gewachsen, Wasmuth zu treffen?« Frank wandte sich an Mamah. »Ich möchte, dass er dem alten Scheißkerl einen Besuch abstattet. Sie stellen sich stur, und ich habe mich überzeugen lassen. Von sechsundsiebzig Platten haben sie nur zwölf herausgenommen.« Er wedelte mit der Hand, als wollte er ein Insekt verscheuchen. »Ich möchte heute Abend nicht an Wasmuth denken.«
Sie aßen und tranken, und Frank tischte ihnen auf. Die Russen gingen zu den Böhmischen Tänzen über.
»Die meisten der Kathedralen, die wir besucht haben, haben keine Seele«, sagte Frank.
»Fandest du keine davon schön?«, fragte
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