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Kein Blick zurueck

Kein Blick zurueck

Titel: Kein Blick zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Horan
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entgegenzustellen. Wenn ein gewöhnlicher Mann das tue, habe das einige langfristige Konsequenzen. Doch für Frank werde es sich als katastrophal erweisen, denn seine ihm von Gott geschenkten Gaben würden bei seiner Flucht vor der Gesellschaft aufgezehrt. Und das wäre für die Welt ein großer Verlust.
    Selbst wenn es sich bei Mamah um ein vollkommen überirdisches Wesen handeln sollte, sagte er, selbst wenn sie beide sich einer Scheidung versicherten und es schafften, miteinander ein wunderbares neues Heim aufzubauen, würdeFrank seine Kinder seiner vollen Anwesenheit in ihrem Leben berauben. Es wäre besser, heimlich eine körperliche Beziehung aufrechtzuerhalten, als zu versuchen, die Gesellschaft zu verändern, um eine solche Affäre rechtmäßig werden zu lassen.
    Mamah legte den Brief des Geistlichen zu den anderen in die Zigarrenkiste zurück. So steht es also.
    Bis zur vergangenen Nacht hatte Frank kaum etwas von dem Konflikt offenbart, der in ihm wütete. In Berlin hatte er eine so tapfere Entschlossenheit an den Tag gelegt, als der schreckliche Skandal in einem Briefumschlag über sie hereingebrochen war. Er war ihr liebevoller Beschützer gewesen, als sie sich möglicherweise sogar selbst zerstört hätte. Er hatte am entschiedensten darauf bestanden, dass sie ein gemeinsames Leben beginnen sollten. Sie hatte ihn niemals glücklicher gesehen als hier in Fiesole.
    Was er ihr jedoch vorenthalten hatte, war identisch mit dem, was auch sie ihm vorenthielt – die furchtbare Last der Reue und des Zweifels, die sich in ihrem Innern täglich, manchmal stündlich verlagerte wie Frachtgut. Vergangene Nacht hatte Frank sich entschieden der Seite zugeneigt, die ihn letztlich wieder nach Hause, zurück zu seiner Familie führen würde. Vielleicht war der Entwurf einer Villa in Fiesole für ihn nur eine Fingerübung gewesen. Warum hatte sie erwartet, dass dieser Traum mehr war als ein Hirngespinst, ungeachtet der geringen Aussicht auf Erfolg? Jetzt sprach er davon, er werde zu seinen Kindern zurückkehren, nicht zu Catherine. Doch wie wollte er diesen Entschluss angesichts solchen Widerstands durchhalten?
    Mamah wusste nicht, ob sie ihn durchhalten könnte. Wenn sie jetzt auf der Stelle zurückkehrte, bestände eine gute Chance, dass sie aufs Neue in ein Leben als Ehefrau Edwin Cheneys zurückgleiten würde. Sosehr sie sich nach ihrenKindern sehnte, wusste sie doch, dass die Arbeit, die sie begonnen hatte, zur Seite gelegt würde, wenn sie sich in die Nähe von Oak Park begäbe.
    Ellen hatte Mamah von einer Freundin in Berlin erzählt, die ihr eine Stelle als Lehrerin verschaffen könnte, falls sie in Europa bleiben wollte. Es bestand keinerlei Hoffnung, im Kielwasser dieses Skandals in den Vereinigten Staaten Arbeit zu finden, und jetzt würde sie eine brauchen. Sie zählte die Monate, die sie inzwischen von Oak Park weg war. Vierzehn, seit sie den Zug nach Boulder bestiegen hatte. Wenn sie zehn weitere Monate auf dem Kontinent bleiben könnte, könnte sie von Edwin die Scheidung verlangen, selbst wenn er dies ablehnte. Bis dahin wären zwei Jahre vergangen, die sie nicht mit ihm unter einem Dach gelebt hätte.
    Mamah würde sich noch länger auf Lizzie stützen müssen, als sie erwartet hatte. Das hieß, um sehr viel zu bitten. Vielleicht könnte sie es bewerkstelligen, nur bis zum Frühjahr zu bleiben – weitere sechs Monate –, das könnte genügen. Als Frank an diesem Morgen in den Garten kam, setzte er sich ihr gegenüber. »Was wirst du tun?«, fragte er. Die Haut unter seinen Augen war braun und aufgequollen.
    »Ich überlege gerade.« Sie blickte auf den Nebel hinunter, der über dem Tal hing und langsam von der Sonne weggebrannt wurde. »Ich habe beschlossen, hierzubleiben, wenigstens bis zum kommenden Frühjahr.«
    Frank rührte Milch in seinen Kaffee und wich ihrem Blick aus. »Aber du hast hier nicht einen einzigen Freund.«
    »Ich werde Edwin fragen, ob er erlaubt, dass die Kinder herüberkommen. Louise könnte sie begleiten.« Sie konnte nicht verhindern, dass sie beim Gedanken an die Empörung, die diese Idee in Oak Park auslösen würde, ein wenig die Schultern hängen ließ.
    Frank verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderteihren Blick. »Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich nur für ein Jahr hierherkommen würde.«
    »Ich weiß.«
    »Warum kommst du dann nicht mit zurück und nimmst dir eine Wohnung in Chicago?«
    »Warum sagst du nicht ›Ich liebe dich, Mamah‹?« Ihre Stimme

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