Kein Blick zurueck
funktioniert ein Architekturbüro nun einmal – ein Mann erntet alle Lorbeeren, und das weiß man. Ich für meinen Teil betrachte mich als Glückspilz. Nicht jeder bekommt die Gelegenheit, für ein Genie zu arbeiten.
Mr. Wright ist anderen Architekten weit voraus. Die Leute denken nur ›Präriehaus‹, wenn sie seinen Namen hören. Aber er ist so viel mehr als das. Wenn man sich anhört, was er über organische Architektur zu sagen hat, kann man überall auf der Welt natürliche Häuser bauen. Die Menschen verstehen das heute noch nicht, aber eines Tages werden sie es verstehen.«
Er nahm seinen Hut von einem Haken neben der Tür. »Was ich sagen will, ist, er ist ein Prophet. Was er in seiner Mappe zeigt, haben die Europäer meines Wissens noch nie gesehen. Es wird die Art und Weise verändern, in der Architektur praktiziert wird. Punkt.«
Mamah lächelte, und Taylor grinste zurück. »Bei Mr. Wright packt man den Drachen einfach beim Schwanz. Wenn man es schafft, ihn festzuhalten, gelangt man an Orte, wo man noch nie gewesen ist.«
»Danke, Taylor.« Sie drückte seinen Arm, als er ging. »Bis um acht.«
Franks Gesicht war gerötet, und ihm lief der Schweiß herunter, als er von der Straßenbahn nach Hause kam. Er traf sie im Garten an, wo sie sich nach dem Bad hingesetzt hatte. Er war bester Laune und trug ein neues beigefarbenes Leinenjackett. Unter beiden Armen hatte er Pakete, die er auf einen Stuhl fallen ließ, als er sich zu ihr beugte, um sie zu küssen.
»Es gefällt mir, dass sie hier alles so schön verpacken.« Er wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn und löste die Schnur von einem der Päckchen. Darin lag eine Hose passend zu seinem Jackett. Er knöpfte an Ort und Stelle die Hose auf, die er gerade trug, und schlüpfte in die neue, die an den Knöcheln schmal geknöpft war. Dann stolzierte er durch den Garten, führte das Ensemble vor und posierte mit seinem Stock wie ein Dandy. »Erlesen, nicht wahr?« Er zog das Jackett aus und zeigte ihr die kleinen Finessen dieses Kleidungsstücks – das FLW , das in florentinischen Lettern kunstvoll in das Seidenfutter eingestickt war. »Dieser Schneider, den ich da gefunden habe, ist ein Genie. So etwas findet man nicht in Chicago.«
»Taylor kommt heute Abend zum Essen.«
»Perfekt. Ich habe ihm ein kleines Abschiedsgeschenk besorgt. Aber gefällt dir dieses Jackett? Es ist nicht zu eng, nicht wahr?«
»Nein, es passt ausgezeichnet. Für wen sind all diese Päckchen?«
»Für meine Kinder. Und ein kleines Etwas für dich.« Er legte ein großes, eingewickeltes Paket vor ihr auf den Tisch. Mamah starrte auf das braune, mit Lilien bedruckte Papier. »Du sollst für mich kein Geld ausgeben«, sagte sie leise.
»Mach es auf, Liebling.«
»Ich muss mit dir sprechen.« Sie griff in ihre Tasche und zog den Brief heraus. »Den habe ich heute gefunden.«
Sie hasste es, zu sehen, wie die Fröhlichkeit aus seinem Gesicht wich.
»Was ist damit?«
»Was bedeutet das?«
»Walter Griffin verdient kein freundliches Wort von mir.« »Warum hast du ihn nicht abgeschickt?«
Er sah ihr forschend ins Gesicht. »Warum fragst du?«
»Weil ich Angst habe.«
»Wovor?«
»Dass du kein Geld hast, um es Griffin zu schicken. Dass du in finanziellen Schwierigkeiten steckst und mich irgendwie schützen willst.«
»Die Mappe wird alles verändern.«
»Ich dachte nur…« Sie deutete auf die Päckchen.
»Mamah. Entspann dich ein wenig!«
Sie sah ihn skeptisch an. »Ich soll mir also wegen des Geldes keine Sorgen machen.«
Frank seufzte. »Nein, es kommt immer welches herein. Geld war nie der Grund, warum ich Architekt wurde. Aber mit Geld kann man sich wunderbare Dinge kaufen, und ich brauche wunderbare Dinge um mich. Ich bin Künstler, Mame. Du mehr als irgendjemand sonst solltest das verstehen. Schöne Dinge stimulieren mich, sie inspirieren mich. Sieh dir das an.« Er zeigte auf die zierlichen, handgefertigten Nähte an den Aufschlägen. »Ich kaufe keinen Schund. Wenn ich etwas kaufe, muss es perfekt sein, oder ich möchte es lieber gar nicht«, sagte er. »Du wirst nicht erleben, dass ich mit fünf billigen Anzügen nach Hause komme, einen für jeden Wochentag. Entweder möchte ich einen perfekten Anzug oder lieber gar keinen. Dieser Anzug war gar nicht so teuer. Weißt du, ich bin vor Wochen zufällig auf diesen Schneider gestoßen, schon vor deiner Ankunft. Wenn ich so etwas in Chicago machen lassen wollte…« Frank warfdie Arme hoch. »Mein Gott,
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