Kein böser Traum
Sheila Lambert und Geri Duncan: die vier Personen, die zusammen auf dem Foto abgebildet waren. Es musste eine Verbindung zwischen ihnen geben. Sie probierte die unterschiedlichsten Kombinationen aus. Sie versuchte, Vor- und Familiennamen zu mischen. Nichts tauchte auf, das von Interesse gewesen wäre. Sie tippte noch immer und durchforstete die 227 nutzlosen Ergebnisse auf die Eingabe »Lawson« und »Alworth«, als das Telefon klingelte.
Grace starrte auf das Display. Es war Coras Nummer. Sie hob den Hörer ab. »Hallo.«
»Hallo.«
»Entschuldige«, sagte Grace.
»Mach dir deshalb keinen Kopf. Dumme Kuh.«
Grace lächelte und betätigte weiter den Cursor. Die Ergebnisse waren unbrauchbar.
»Also, was ist? Willst du meine Hilfe noch?«, fragte Cora.
»Ja, schätze schon.«
»Klingt richtig begeistert. So gefällst du mir. Erzähl!«
Grace beschränkte sich auf eine oberflächliche Zusammenfassung. Sie vertraute Cora, aber sie wollte nicht gezwungen sein, ihr zu vertrauen. Natürlich war das nicht besonders logisch. Nur: war Graces Leben bedroht, würde sie sich umgehend an Cora wenden. Waren jedoch die Kinder in Gefahr … nun, dann würde sie schon zögern. Das Beunruhigende jedoch war, dass sie Cora mehr vertraute als jedem anderen – was bedeutete, dass sie sich nie zuvor im Leben so isoliert und allein gefühlt hatte.
»Du lässt die Namen also durch die Suchmaschine laufen?«, wollte Cora wissen.
»Ja.«
»Irgendwelche relevanten Ergebnisse? Bisher meine ich?«
»Kein einziges.« Dann: »Warte mal!«
»Was ist?«
Und wieder, Vertrauen hin oder her, Grace fragte sich, welchen Sinn es hatte, Cora mehr zu erzählen als unbedingt nötig. »Ich hab da was. Rufe dich gleich zurück.«
Grace legte auf und starrte auf den Bildschirm. Ihr Puls ging schneller. Sie hatte beinahe alle Namenskombinationen ausgeschöpft, als ihr ein Künstlerfreund namens Marlon Coburn einfiel. Er beklagte sich ständig, dass sein Name falsch geschrieben wurde. Marlon wurde zu Marlin, Marlan oder Marlen, und Coburn wurde zu Cohen oder Corburn verballhornt. Jedenfalls fand Grace, es sei einen Versuch wert.
Die vierte Fehler-Kombination, die sie versuchte, war »Lawson« und »Allworth« mit zwei »l« statt mit einem.
Sie bekam 300 Ergebnisse – keiner der beiden Namen war selten –, doch es war das Ergebnis Nr. 4, das ihr ins Auge stach.
Die Überschrift lautete:
CRAZY DAVEY’S BLOG
Grace wusste vage, dass ein Blog so etwas wie ein Internettagebuch war, auf der Leute ihre Gedanken veröffentlichten. Andere wiederum fanden auf unerklärliche Weise Befriedigung darin, diese Ergüsse zu lesen. Eigentlich hatte ein Tagebuch früher eher als intim gegolten. Heutzutage dagegen versuchte man, mit möglichst schrillen Bekenntnissen die Massen zu erreichen.
Das Kleingedruckte unter der Überschrift lautete:
»John Lawson am Keyboard und Sean Allworth, ein Zauberer an der Gitarre …«
Jacks richtiger Name lautete eigentlich John. Sean klang ähnlich wie Shane. Grace klickte das Link an. Die Seite war endlos lang. Sie ging zurück und klickte auf »speichern«. Als sie auf die Seite zurückkehrte, waren die Worte »Lawson« und »Allworth« markiert. Sie ließ den Cursor laufen und entdeckte einen zwei Jahre alten Eintrag:
26. April
He, Leute. Terese und ich haben uns ein Wochenende in Vermont gegönnt. Wir haben uns in der Frühstückspension Westerley’s eingemietet. War eine Schau. Sie hatten dort einen Kamin, und nachts haben wir Schach gespielt …
Crazy Davey war nicht zu stoppen. Grace schüttelte den Kopf. Wer zum Teufel las diesen Blödsinn? Sie klickte drei Abschnitte weiter.
Am Abend bin ich mit Rick, einem alten Kumpel von der Uni, zu Wino’s gegangen. Ist eine alte Studentenkneipe. Die reinste
Bruchbude. Während des Studiums waren wir Stammgäste. Und ihr glaubt es nicht, wir haben wieder Kondom-Roulette gespielt wie in alten Tagen. Je gespielt? Jeder Typ rät eine Farbe – es gibt sexy Rot, Mach-mir-den-Hengst Schwarz, Zitronengelb, Orange-Orange. Okay, die letzten beiden sind ein Witz, aber ihr habt’s hoffentlich begriffen. Auf dem Klo hängt der Gummi-Automat. Immer noch! Jeder legt einen Dollar auf den Tisch. Einer nimmt einen Vierteldollar und holt ein Kondom. Er bringt es zum Tisch zurück. Er macht die Schachtel auf und Bingo, wenn es deine Farbe hat, hast du gewonnen. Rick hat die erste Runde gewonnen. Er hat uns einen ausgegeben. Die Band damals hat reingehauen. Erinnere mich,
Weitere Kostenlose Bücher