Kein böser Traum
saß einfach nur da. Er sah von Grace zu Sally Li. »Können Sie eine DNA-Analyse des Fötus vornehmen?«
»Vermutlich. Warum?«
»Wie lange dauert ein solcher Vaterschaftstest?«
Grace überraschte die Frage nicht.
»Sechs Wochen.«
»Geht es auch schneller?«
»Ich kann’s versuchen. Aber versprechen kann ich nichts.«
Scott wandte sich an Grace. Sie wusste, was er dachte. »Geri war mit Shane Alworth befreundet«, sagte sie.
»Sie haben das Foto gesehen.«
Hatte sie. Die Art und Weise, wie Geri zu Jack aufgesehen hatte. Geri hatte nicht gewusst, dass die Kamera auf sie gerichtet war. Alle waren noch dabei gewesen, sich für das Foto in Stellung zu bringen. Doch das, was die Kamera eingefangen hatte, Geris Gesichtsausdruck, nun, der verriet, dass Jack mehr gewesen sein musste als nur ein guter Kumpel.
»Machen Sie den Test«, schlug Grace vor.
34
Charlaine hielt Mikes Hand, als seine Lider zuckten und er die Augen aufschlug.
Sie rief schrill nach einem Arzt, der das Offensichtliche umgehend als ein »gutes Zeichen« wertete. Mike hatte furchtbare Schmerzen. Der Arzt legte ihm eine intravenöse Morphiumpumpe. Mike weigerte sich zuerst, wieder einzuschlafen. Er zog eine
Grimasse und versuchte, die Schmerzen auszuhalten. Charlaine blieb bei ihm und hielt seine Hand. Als die Schmerzen schlimmer wurden, klammerte er sich fest an sie.
»Geh nach Hause«, sagte Mike. »Die Kinder brauchen dich.«
Sie bedeutete ihm, still zu sein. »Versuch zu schlafen.«
»Du kannst hier nichts für mich tun. Geh nach Hause.«
»Pssst.«
Mike sank erneut in Schlaf. Sie schaute auf ihn herab. Sie erinnerte sich an die Tage an der Vanderbilt University. Eine bunte Skala von Emotionen überwältigte sie. Da war Liebe und Zuneigung, dessen war sie sicher, aber was Charlaine im Augenblick Angst machte, war – auch während sie Mikes Hand hielt, und sogar als sie die starke Verbindung zu diesem Mann fühlte, der das Leben mit ihr teilte, sogar als sie betete und mit Gott, den sie so lange ignoriert hatte, einen Handel schloss –, dass sie wusste, dass diese Gefühle nicht von Dauer sein würden. Das war das Beängstigende an der Sache. Mitten in dieser Gefühlsaufwallung wusste Charlaine, dass die Zuneigung abebben würde, dass das, was sie empfand, einen flüchtigen Charakter hatte, und sie hasste sich dafür, dass sie es wusste.
Vor drei Jahren hatte Charlaine eine Selbsthilfeveranstaltung in der Continental Arena in East Rutherford besucht. Der Redner war dynamisch und kraftvoll, Charlaine war begeistert gewesen. Sie hatte sämtliche Hörkassetten gekauft. Sie hatte begonnen zu tun, was er vorschlug – hatte sich Ziele gesetzt, sich daran gehalten, sich überlegt, was sie vom Leben erwartete, versucht, den Dingen eine Perspektive zu geben, hatte ihre Prioritäten geordnet und restrukturiert, so dass sie Fortschritte machen konnte – doch noch während dieser Bemühungen, selbst als sich ihr Leben zum Besseren veränderte, hatte sie gewusst, dass es nicht von Dauer sein würde. Es war nur eine vorübergehende Veränderung, eine neue Lebensweise, ein Bewegungsprogramm, eine Diät gewesen – und diesmal war es genauso.
Und es würde kein Glück bis ans Ende aller Tage geben.
Hinter ihr ging die Tür auf. »Ihr Mann ist aufgewacht, habe ich gehört.«
Es war Captain Perlmutter. »Ja.«
»Ich habe gehofft, mit ihm sprechen zu können.«
»Da müssen Sie noch warten.«
Perlmutter machte einen Schritt ins Zimmer. »Sind die Kinder noch bei ihrem Onkel?«
»Er hat sie zur Schule gebracht. Wir wollen, dass das Leben ganz normal für sie weitergeht.« Perlmutter trat neben sie. Sie wandte den Blick nicht von Mike. »Haben Sie was herausgefunden?«
»Der Mann, der auf Ihren Mann geschossen hat … Er heißt Eric Wu. Sagt Ihnen das was?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wie sind Sie darauf gekommen?«
»Durch die Fingerabdrücke in Sykes’ Haus.«
»Ist er vorbestraft?«
»Ja. Er ist gerade auf Bewährung frei.«
»Was hat er getan?«
»Das Urteil lautete auf schwere Körperverletzung. Allerdings nimmt man an, dass er noch viel mehr auf dem Kerbholz hat.«
Das überraschte sie nicht. »Schwere Verbrechen?«
Perlmutter nickte. »Darf ich Sie was fragen?«
Sie zuckte mit den Achseln.
»Sagt Ihnen der Name Jack Lawson etwas?«
Charlaine runzelte die Stirn. »Hat er zwei Kinder an der Willard-Schule?«
»Ja.«
»Ich kenne ihn nicht persönlich, aber Clay, mein Jüngster, geht noch in die Willard-Schule. Ich
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