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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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manchen Schlag eingesteckt. Männer, doppelt so groß und schwer wie er,
hatten ihm Nierenhaken verpasst. Aber nichts und niemand hatte ihn je so hart getroffen. Die Faust des Chinesen hatte die Wucht eines Dampfhammers.
    Rocky schnappte nach Luft, blieb jedoch auf den Beinen. Wu bewegte sich auf ihn zu. Im nächsten Moment fühlte Rocky einen harten, spitzen Gegenstand in seiner Leber. Fühlte sich wie ein Grillspieß an. Der Schmerz explodierte durch ihn hindurch.
    Rockys Mund öffnete sich, doch kein Schrei wollte entweichen. Er ging zu Boden. Wu sank neben ihm auf die Knie. Das Letzte, das Rocky sah – das Letzte, das er je sehen sollte – war Eric Wus Gesicht, seine ruhige, beinah heitere Miene, während er seine Finger unter Rockys Brustkasten gleiten ließ.
    Lorraine, dachte Rocky. Und dann nichts mehr.

5
    Grace ertappte sich mitten in einem Schrei. Sie fuhr hoch. Im Flur brannte noch immer Licht. Im Türrahmen stand eine Gestalt. Aber es war nicht Jack.
    Sie wachte noch immer nach Luft schnappend auf. Ein Traum. So viel wusste sie. Irgendwo im Unterbewusstsein war das nach der Hälfte klar gewesen. Der Traum war nicht neu. Sie hatte ihn schon häufig geträumt, doch das war lange her. Muss der bevorstehende Jahrestag sein, dachte sie.
    Sie versuchte sich wieder zurückzuversetzen. Es ging nicht. Der Traum begann und endete stets auf die gleiche Art und Weise. Variationen gab es nur in der Mitte.
    Im Traum war Grace wieder im alten Boston Garden Stadion. Die Bühne lag unmittelbar vor ihr. Da war ein Absperrgitter aus Stahl, niedrig, vielleicht hüfthoch, ein Gestell wie ein Fahrradständer. Sie lehnte sich dagegen.
    Aus dem Lautsprecher drang der Song »Pale Ink«, was nicht
sein konnte, da das Konzert noch gar nicht angefangen hatte. »Pale Ink« war der große Hit der Jimmy-X-Band, die meistverkaufte Single des Jahres. Im Radio wurde er noch immer häufig gespielt. Damals jedoch hörte sie ihn live, nicht aus der Konserve. Sah man diesen Traum wie einen Film an, dann war »Pale Ink« so etwas wie der Soundtrack dazu.
    Stand Todd Woodcroft, ihr damaliger Freund, neben ihr? Gelegentlich bildete sie sich ein, seine Hand zu halten – obwohl sie beide nie das Händchen haltende Paar gewesen waren – und dann, als plötzlich alles schief ging, überwältigte sie das niederschmetternde Gefühl, wie ihr seine Hand entglitt. Todd war vermutlich neben ihr gewesen. Im Traum geschah das nur manchmal. Diesmal, nein diesmal war er nicht bei ihr gewesen. Todd war in jener Nacht unversehrt davongekommen. Sie hatte ihm nie die Schuld an dem gegeben, was ihr zugestoßen war. Er hätte nichts tun können. Sie hatten eine College-Romanze gehabt, die bereits zu Ende gewesen war, waren keine verwandten Seelen gewesen. Und wer wollte schon in diesem Stadium eine Szene riskieren? Wer wollte schon mit einem Mädchen Schluss machen, das im Krankenhaus lag? War besser für beide gewesen, die Sache einfach im Sande verlaufen zu lassen, dachte sie.
    Im Traum wusste Grace stets, dass eine Katastrophe bevorstand, ohne dass sie aktiv etwas dagegen unternommen hätte. Ihr Traum-Ich rief den anderen keine Warnung zu oder versuchte, zum Ausgang zu gelangen. Sie fragte sich häufig, warum das so war. Aber lag das nicht in der Natur der Träume? Man ist trotz besseren Wissens machtlos, Sklave einer bestimmten Weichenstellung des Unterbewusstseins. Vielleicht ist die Antwort auch simpler: Es war keine Zeit dazu. Im Traum nimmt die Tragödie in wenigen Sekunden ihren Lauf. In Wirklichkeit hatten Grace und all die anderen nach Zeugenaussagen mehr als vier Stunden vor dieser Bühne gestanden.
    Die Stimmung der Menge war von erwartungsvoller Spannung
erst in Unruhe, dann in Ungeduld und schließlich in offene Feindseligkeit umgeschlagen. Der Auftritt von Jimmy X, mit richtigem Namen James Xavier Farmington, der großartige Rockmusiker mit der unglaublichen Haarmähne, war für 20 Uhr 30 angekündigt, doch niemand rechnete mit seinem Erscheinen vor 21 Uhr. Schließlich war es kurz vor Mitternacht, ohne dass sich etwas ereignet hätte. Zuerst hatte die Menge Jimmys Namen skandiert. Dann waren erste Buhrufe gekommen. Sechzehntausend Menschen, einschließlich derer, die, wie Grace, das Glück gehabt hatten, Plätze direkt vor der Bühne zu ergattern, forderten wie auf Kommando gemeinsam seinen Auftritt. Zehn Minuten verstrichen, bevor die Lautsprecher mit Informationen aufwarteten. Die Menge, die sich erneut in einen Zustand hitziger Erregung

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