Kein böser Traum
schon einmal gesehen.
4
Rocky Conwell bezog Posten vor dem Haus der Lawsons.
Er versuchte, in seinem Toyota Celica, Baujahr 1989, eine bequeme Stellung zu finden. Vergeblich. Rocky war zu groß und massig für diese japanische Konservendose. Er ruckelte kräftig am Sitzhebel, riss ihn beinahe aus der Halterung, ohne dass dieser sich auch nur einen Zentimeter weiter rückwärts hätte verschieben lassen. Keine Chance. Rocky lehnte sich zurück. Die Augenlider fielen ihm allmählich zu.
Rocky war todmüde. Er hatte zwei Jobs, war rund um die Uhr in Bewegung. In seinem offiziellen Job, mit dem er bei seinem Bewährungshelfer Eindruck schinden wollte, zog er eine Zehn-Stunden-Schicht
in der Budweiser-Abfüllanlage in Newark durch. Sein zweiter Job bestand darin, in diesem verdammten Vehikel zu sitzen und auf ein Haus zu starren. Streng genommen weit außerhalb jeglicher Legalität.
Rocky fuhr hoch. Ein Geräusch hatte ihn aufgeschreckt. Er griff nach seinem Fernglas. Mist, der Motor des Minivans heulte auf. Rocky schwenkte das Fernglas in die entsprechende Richtung. Jack Lawson bog aus seiner Einfahrt. Er legte das Fernglas beiseite, stellte die Automatik auf »Drive« und war bereit, die Verfolgung aufzunehmen.
Rocky hatte die beiden Jobs bitter nötig, denn er brauchte dringend eine Menge Geld. Lorraine, seine Exfrau, machte ihm Hoffnungen auf eine mögliche Aussöhnung. Doch das Eis, auf dem er sich bewegte, war verdammt dünn. Bargeld, soviel wusste Rocky, konnte bei Lorraine den Ausschlag zu seinen Gunsten geben. Er liebte Lorraine. Er wünschte sie sich verzweifelt und unbedingt zurück. Er schuldete ihr etwas, bessere Zeiten, oder etwa nicht? Und wenn er sich dafür den Arsch aufreißen musste, dann wollte er das nicht vermasseln. Das war der Preis. Und sie war es wert.
Rocky Conwell hatte auch schon andere Zeiten erlebt. Er war Defensive End in der All-State-Auswahl an der Westfield High gewesen. Joe Paterno persönlich, von der Penn State, hatte ihn engagiert und aus ihm einen Inside Linebacker mit extrem hartem Schlag gemacht. Eins neunzig groß, hundertdreißig Kilo schwer und mit natürlicher Aggressivität ausgestattet, war Rocky vier Jahre lang ein Star gewesen. Hatte zwei Jahre zur Auswahl der besten Zehn gehört. In der achten Runde hatten ihn die St. Louis Rams verpflichtet.
Eine Weile hatte es so ausgesehen, als habe der liebe Gott persönlich seine Lebensplanung übernommen. Rocky hieß tatsächlich Rocky. Seine Eltern hatten ihn so genannt, weil im Sommer 1976 während einer Kinovorstellung des Films Rocky bei seiner
Mutter die Wehen eingesetzt hatten. Und wer einen Namen wie Rocky trug, tat gut daran, groß und stark zu werden; rasselte vorsorglich mit dem Säbel. Und so war er ein viel versprechender Footballspieler geworden. Er heiratete Lorraine – ein Superweib, das den Autoverkehr in der City nicht nur lahm legen, sondern das absolute Chaos anrichten konnte – während seines Junior-Jahrs. Sie waren Hals über Kopf einander verfallen. Das Leben hätte schöner nicht sein können.
So lange, nun ja, bis es eben nicht mehr so schön war.
Rocky war ein großartiger College-Footballspieler gewesen. Nur war der Unterschied zwischen der I-A Division und den richtigen Proficlubs himmelweit. Im Trainingscamp der Frischlinge bei den Rams mochten sie seine spektakuläre Spielweise. Ihnen gefiel seine professionelle Einstellung. Ihnen gefiel sein rücksichtsloser Körpereinsatz als Spielmacher. Was ihnen nicht gefiel war seine Geschwindigkeit – und in der modernen Spielweise, mit der Betonung auf Passing und Defense, war Rocky einfach nicht gut genug. Sagten sie jedenfalls. Rocky ließ sich nicht unterkriegen. Er schluckte noch mehr Steroide. Er setzte mehr Muskelmasse an und war dennoch nicht massig genug für die Frontline. Es gelang ihm, eine Spielzeit in Special Teams für die Rams zu überstehen. Aber in der nächsten Saison war er draußen.
Der Traum wollte nicht zerplatzen. Rocky konnte es nicht zulassen. Er stemmte nonstop Gewichte. Er fing an, sich mit richtig harten Mitteln voll zu stopfen. Anabolika hatte er von Anfang an genommen. Wie jeder Athlet. Aber in seiner Verzweiflung wurde er schlampig. Er scherte sich nicht um Kreislauf oder Überanstrengung. Er wollte nur Muskelmasse. Seine Laune wurde immer mieser – ob durch die Drogen oder die Enttäuschung, war schwer zu sagen. Vielleicht war es auch nur eine explosive Mischung aus beidem.
Um Kasse zu machen, verdingte Rocky
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