Kein böser Traum
hinaus.
Der Honda Accord war stehen geblieben. Der Fahrer – ein asiatisch aussehender Mann – starrte zu ihrem Fenster hinauf.
Charlaine presste sich mit dem Rücken flach gegen die Wand. Sie bewegte sich nicht und hielt den Atem an. So blieb sie, bis sie hörte, wie der Wagen erneut anfuhr. Und dann, nur um auf Nummer sicher zu gehen, hielt sie sich noch weitere zehn Minuten hinter der Fensterecke verborgen.
Als sie schließlich wieder aus dem Fenster sah, war das Auto verschwunden.
Im Nachbarhaus rührte sich absolut nichts mehr.
7
Grace erreichte um Punkt 10 Uhr 15 das Fotogeschäft.
Josh, mit dem Sauerkrautbart, war nicht da. Genau genommen war überhaupt niemand da. Auf einem Schild in der Ladentür, das vermutlich seit dem vergangenen Abend dort hing, stand geschlossen.
Grace studierte die Öffnungszeiten. Geöffnet von 10-18 Uhr. Sie wartete. Um 10 Uhr 20 entdeckte die erste Kundin, eine gehetzt wirkende Frau Mitte dreißig, das Schild geschlossen, studierte die Öffnungszeiten und rüttelte an der Klinke. Sie stöhnte übertrieben auf. Grace zuckte bedauernd mit den Schultern. Die junge Frau eilte davon. Grace wartete.
Als das Geschäft um 10 Uhr 30 noch immer nicht geöffnet wurde, wusste Grace, dass das ein schlechtes Zeichen sein musste. Sie beschloss, erneut in Jacks Büro anzurufen. Diesmal schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Es war unheimlich, Jacks allzu förmliche Stimme auf der Ansage zu hören. Diesmal versuchte sie es bei Dans Nummer. Immerhin hatten die beiden Männer am Vorabend telefoniert. Vielleicht konnte Dan mit einer Erklärung aufwarten.
Sie wählte seine Büronummer.
»Hallo?«
»Hallo, Dan. Ich bin’s, Grace.«
»Hey!«, ertönte es am anderen Ende einen Tick zu enthusiastisch. »Ich wollte dich gerade anrufen.«
»Aha?«
»Wo steckt Jack?«
»Keine Ahnung.«
Er zögerte. »Was heißt, du hast keine Ahnung … ?«
»Du hast ihn doch gestern Abend angerufen, stimmt’s?«
»Ja.«
»Worüber habt ihr gesprochen?«
»Über die Phenomytol-Testreihen. Wir sollen sie heute Nachmittag präsentieren.«
»Und nichts weiter?«
»Wie meinst du das? Wie nichts weiter?«
»Worüber habt ihr sonst noch gesprochen?«
»Über gar nichts. Ich wollte ihn wegen eines Dias was fragen. Wieso? Was ist denn los, Grace?«
»Er ist gleich danach fortgefahren.«
»Einfach so?«
»Und seither nicht wieder aufgetaucht.«
»Moment! Was soll das heißen?«
»Ganz einfach, dass er nicht mehr nach Hause gekommen ist und auch nicht angerufen hat. Ich habe keine Ahnung, wo er steckt.«
»Großer Gott! Hast du die Polizei benachrichtigt?«
»Ja.«
»Und?«
»Und nichts.«
»Du meine Güte! Ich mache hier Schluss. Bin gleich bei dir.«
»Nein«, wehrte sie ab. »Mir geht’s gut.«
»Sicher?«
»Ganz sicher. Ich muss noch was erledigen«, sagte sie lahm. Sie nahm den Hörer ans andere Ohr, unsicher, wie sie sich ausdrücken sollte. »War mit Jack alles in Ordnung?«
»Du meinst im Büro?«
»Ich meine ganz allgemein.«
»Ja, natürlich. Er ist, wie er ist. Du kennst ihn.«
»Dir ist nichts aufgefallen? Keine Veränderung?«
»Wir waren beide im Stress. Wegen dieser Testreihe. Wenn du das meinst. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Grace, soll ich wirklich nicht kommen?«
In ihrem Handy ertönte ein Piepton. »Ich muss jetzt auflegen, Dan. Da ist ein Anruf auf der anderen Leitung.«
»Ist vermutlich Jack. Ruf mich an, wenn du was brauchst.«
Grace schaltete um und starrte auf die neue Nummer auf dem Display. Es war nicht Jack. Zumindest rief er nicht mit seinem Handy an. Die Nummer war unbekannt.
»Hallo?«
»Mrs. Lawson? Officer Daley hier. Haben Sie Nachricht von Ihrem Mann?«
»Nein.«
»Wir konnten Sie zu Hause nicht erreichen.«
»Stimmt. Ich bin unterwegs.«
Es folgte eine kurze Pause. »Wo sind Sie?«
»In der Stadt.«
»Wo in der Stadt?«
»Beim Fotoladen.«
Diesmal war die Pause noch länger. »Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber finden Sie das in Ordnung? Ich meine, rumzufahren, wenn Sie sich doch Sorgen wegen Ihrem Mann machen?«
»Officer Daley?«
»Ja bitte?«
»Es gibt da eine neue Erfindung. Die heißt Handy. Sie zum Beispiel rufen mich gerade auf meinem Handy an.«
»Ich wollte nicht …«
»Haben Sie etwas herausgefunden? Über meinen Mann?«
»Deshalb rufe ich an. Mein Captain ist jetzt da. Er möchte gern selbst mit Ihnen sprechen.«
»Haben Sie Neuigkeiten?«
»Nein. Jedenfalls nichts Besorgniserregendes.«
»Was
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