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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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eingeschaltet?«

    Sie fing den Blick von Perlmutter auf. Er machte ihr ein Zeichen mit dem Finger, der besagte Geben Sie mir das Telefon, Lady. Ich mach das schon.
    »Hör zu, Grace. Gib mir einfach ein paar Tage. Ich …« Jack hielt inne. Und dann sagte er etwas, das ihre Befürchtungen ins Unermessliche steigerte. »Ich brauche Abstand.«
    »Abstand«, wiederholte sie.
    »Ja, etwas Abstand. Das ist alles. Bitte sag der Polizei, dass es mir Leid tut. Ich muss jetzt auflegen. Okay? Ich melde mich bald wieder.«
    »Jack?«
    Er antwortete nicht.
    »Ich liebe dich«, sagte Grace.
    Aber die Leitung war bereits tot.

8
    Abstand. Jack hatte gesagt, er brauche Abstand. Und daran stimmte einfach gar nichts.
    Abgesehen davon war »Abstand brauchen« eine dieser nichts sagenden, dämlichen, abgeschmackten New-Age-Redewendungen, die mehr als bedeutungslos waren – »Abstand brauchen« – war eine miese Umschreibung für »Und Tschüss, ich verdrück mich«. Hätte ein Hinweis sein können, doch es reichte viel tiefer.
    Grace war inzwischen zu Hause. Sie hatte sich halbherzig bei Perlmutter und Daley entschuldigt. Die Polizisten hatten sie mitleidig angesehen und erklärt, das gehöre nun mal zu ihrem Job. Es täte ihnen Leid. Grace hatte keine Miene verzogen und sich verabschiedet.
    Durch das Telefongespräch hatte sie eine entscheidende und wichtige Information erhalten.
    Jack war in Schwierigkeiten.

    Sie hatte nicht überreagiert. Sein Verschwinden bedeutete nicht, dass er vor ihr oder aus Angst vor seiner Verantwortung davongelaufen war. Es war kein Unfall. Es war weder zu erwarten noch geplant gewesen. Sie hatte das Foto aus dem Fotoladen mitgebracht. Jack hatte es gesehen und das Haus umgehend verlassen.
    Und jetzt steckte er ernsthaft in Schwierigkeiten.
    Der Polizei konnte sie das niemals begreiflich machen. Erstens würden sie ihr nicht glauben. Sie würden ihr unterstellen, sich das alles nur einzubilden oder rettungslos naiv zu sein. Vielleicht würden sie das nicht offen zeigen. Vielleicht würden sie einfach nur Nachsicht heucheln, was sowohl ärgerlich wäre als auch eine enorme Zeitverschwendung bedeutete. Vor dem Anruf waren sie überzeugt gewesen, dass Jack sie verlassen hatte. Die Erklärung, die Grace zu bieten hatte, würde sie nicht umstimmen.
    Und vielleicht war das auch besser so.
    Grace versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen. Dass sie die Polizei eingeschaltet hatte, hatte Jack nicht gefallen. Das war offensichtlich. Das Bedauern in seiner Stimme war echt, nicht gespielt gewesen, als er erfahren hatte, dass sie auf dem Polizeirevier war.
    Abstand.
    Das war das entscheidende Stichwort. Hätte er ihr gesagt, er wolle ein paar Tage verreisen, Dampf ablassen, mit einer Stripperin durchbrennen, die er im Satin Dolls kennen gelernt hatte, okay, dann hätte sie ihm vielleicht nicht geglaubt, aber es hätte immerhin im Bereich des Möglichen gelegen. Jack hatte nichts dergleichen getan. Er war bezüglich der Gründe für sein Verschwinden eindeutig gewesen. Hatte sich in diesem Punkt sogar wiederholt.
    Jack brauchte Abstand.
    Eheliche Geheimsprache. Alle Paare haben sie. Die meisten Begriffe waren reichlich dumm. In dem Billy-Crystal-Streifen Der letzte Komödiant kommt eine Szene vor, in der der Komiker, gespielt von Billy Crystal, auf einen alten Herrn mit einem
scheußlichen Toupet deutet und sagt: »Ist das ein Haarteil? Also, was mich betrifft, mir hätten Sie das als echt verkaufen können.« Wann immer Jack und sie einen Mann entdeckten, der nach einem Haarteil aussah, sagte der eine »Also, was mich betrifft?«, und der andere antwortete dann zustimmend oder verneinend. Grace und Jack benutzten diesen Code »Also, was mich betrifft?« auch bei anderen Ausschweifungen der Eitelkeit wie Nasenkorrekturen, Brustimplantaten und so weiter.
    Der Ursprung von »brauche Abstand« war etwas gewagter, ja anzüglicher.
    Trotz ihrer gegenwärtigen misslichen Lage wurde Grace bei der Erinnerung daran unwillkürlich rot. Sex war mit Jack stets ausgezeichnet gewesen. Doch auch in einer langjährigen Beziehung gibt es Höhen und Tiefen. Die Episode, um die es ging, lag zwei Jahre zurück, in einer Phase großer sexueller Kreativität. Sexueller Kreativität in quasi öffentlichen Situationen, um genauer zu sein.
    Da waren der Quickie in einer Umkleidekabine des luxuriösen Schönheitssalons, die Fummelei in der Loge eines saftigen Broadway Musicals. Mitten während einer besonders gewagten Nummer in der roten,

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