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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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sein.«
    »Dich muss man einfach mögen, weißt du.«
    Cora nickte. »Ist mein Schicksal.«
    Grace hörte ein Geräusch und blickte aus dem Fenster. Eine Stretch-Limousine in glänzendem Schwarz glitt mit der Sanftheit eines Motown-Sängers in die Auffahrt. Der Chauffeur, ein Mann mit Rattengesicht und hagerer, sehniger Statur, eilte um den Wagen, um die Tür zum Fond zu öffnen.
    Carl Vespa war eingetroffen.
    Allen Gerüchten zum Trotz, die über Carl Vespas Machenschaften kursierten, kleidete er sich nicht in Samt und Seide wie
die amerikanische Mafia. Er zog Khakihosen, Sportjacketts von Joseph Abboud und Mokassins ohne Socken vor. Er war Mitte sechzig, wirkte jedoch mindestens zehn Jahre jünger. Das Haar reichte ihm knapp bis auf die Schultern. Es war von edlem Blond, das teilweise ins Grau überging. Er war sanft gebräunt, und seine Züge hatten jene wächserne Weichheit, die auf eine Botox-Behandlung schließen ließ. Seine Zähne waren so deutlich sichtbar mit dicken Goldkronen überzogen, als hätten die Eckzähne Wachstumshormone genommen.
    Er gab mit einer Kopfbewegung dem Fahrer einen Befehl und kam allein auf das Haus zu. Grace öffnete die Tür. Carl Vespa schenkte ihr ein vergoldetes Lächeln. Sie erwiderte es, froh, ihn zu sehen. Er gab ihr zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Worte wurden nicht gewechselt. Das war nicht nötig. Er hielt ihre beiden Hände und betrachtete sie. Sie sah, wie seine Augen feucht wurden.
    Max tauchte neben seiner Mutter auf. Vespa ließ sie los und trat einen Schritt zurück.
    »Max«, begann Grace. »Das ist Mr. Vespa.«
    »Hallo, Max.«
    »Is das Ihr Wagen?«, fragte Max.
    »Ja.«
    Max Blick schweifte von der Limousine zu Vespa. »Gibt’s ’nen Fernseher da drin?«
    »Ja, gibt es.«
    »Wow!«
    Cora räusperte sich.
    »Oh! Darf ich vorstellen? Meine Freundin Cora.«
    »Angenehm.«
    Cora sah erst den Wagen, dann Vespa an. »Sind Sie Single?«
    »Bin ich.«
    »Wow.«
    Grace wiederholte zum sechsten Mal die Instruktionen für
ihren Babysitter. Cora tat so, als höre sie zu. Grace gab ihr zwanzig Dollar für Pizza und das Käsebaguette, dem Max in letzter Zeit verfallen zu sein schien. Die Mutter einer Klassenkameradin wollte Emma in einer Stunde zu Hause abliefern.
    Grace und Vespa eilten zur Limousine. Der Chauffeur mit dem Rattengesicht hatte den Wagenschlag bereits geöffnet. »Das ist Cram«, stellte Vespa ihn mit einer Handbewegung vor. Als Cram Grace die Hand schüttelte, unterdrückte sie einen Schrei.
    »Angenehm«, sagte Cram. Sein Lächeln rief Erinnerungen an eine TV-Dokumentation über Piraten wach. Sie stieg als Erste ein. Vespa folgte ihr.
    Im Wagen standen geschliffene Kristallgläser mit einer dazu passenden Karaffe, die zur Hälfte mit einer karamellfarbenen, teuer aussehenden Flüssigkeit gefüllt war. Wie angekündigt, gab es tatsächlich auch einen Fernseher. Über ihrem Sitz befanden sich ein DVD-Player, CD-Player, die Regler für die Klimaanlage und genug Knöpfe, um einen erfahrenen Piloten in Verlegenheit zu bringen. Das ganze Drum und Dran – das Kristall, die Karaffe, die Elektronik – alles wirkte protzig. Möglicherweise gehörte das alles auch nur zur Grundausstattung einer Stretch-Limousine.
    »Wohin fahren wir?«, fragte Grace.
    »Ist schwierig zu erklären.« Sie saßen in Fahrtrichtung nebeneinander. »Fahren wir erst einmal hin. Wenn das für Sie okay ist.«
    Carl Vespa war der Erste der von der Katastrophe betroffenen Eltern gewesen, der sich über ihr Krankenbett gebeugt hatte. Als Grace aus dem Koma erwacht war, hatte sie als Erstes sein Gesicht gesehen. Sie hatte nicht gewusst, wer er war, wo sie war und welcher Tag war. Mehr als eine Woche war aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Carl Vespa hatte tagelang im Krankenzimmer gesessen, auf dem Stuhl neben ihr geschlafen. Und er hatte dafür gesorgt, dass sie ständig von Blumen umgeben war. Hatte veranlasst, dass sie eine schöne Aussicht, beruhigende Musik, genügend Schmerzmittel und private Pflege genießen durfte. Er hatte
dafür gesorgt, dass Grace, sobald sie wieder essen konnte, nicht den üblichen Krankenhausfraß bekam.
    Er hatte nie nach Einzelheiten aus jener Nacht gefragt, die sie ihm ehrlich gesagt auch nicht hätte bieten können. Während der folgenden Monate redeten sie viele Stunden lang miteinander. Er erzählte ihr Geschichten, hauptsächlich von seinem Versagen als Vater. Er hatte seine Verbindungen genutzt, um in jener ersten Nacht in ihr Krankenzimmer zu

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