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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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einem Familienvater, fehlte bis heute jede Spur. Ein ähnliches Schicksal sagte man übereinstimmend Wade Larue voraus. Mit dem einzigen Unterschied, dass die Öffentlichkeit dies bei ihm uneingeschränkt befürwortete.
    Eine Zeit lang steckte man Larue im Walden-Gefängnis in Einzelhaft. Grace hatte die Geschichte nicht weiter verfolgt, doch die Eltern – Eltern wie Carl Vespa – riefen noch immer an und schrieben. Sie wünschten, sie hin und wieder zu sehen. Als Überlebende war sie eine Art Kristallisationspunkt ihrer Gefühle geworden. Abgesehen von der Wiederherstellung ihrer Gesundheit, war dieser emotionale Druck – diese absurde Verantwortung  – der Hauptgrund für Grace gewesen, Amerika in Richtung Europa zu verlassen.
    Irgendwann hatte man Larue in den normalen Strafvollzug verlegt. Gerüchteweise wurde bekannt, er wäre von Mithäftlingen geschlagen und übel beschimpft worden. Wie dem auch war, er hatte es überlebt. Carl Vespa hatte auf einen Mord verzichtet.
Vielleicht ein Zeichen von Barmherzigkeit. Vielleicht das genaue Gegenteil. Die wirklichen Gründe entzogen sich Graces Kenntnis.
    »Er besteht mittlerweile nicht mehr uneingeschränkt auf seiner Unschuld«, nahm Vespa den Faden wieder auf. »Haben Sie das schon gehört? Er gibt zu, die Schüsse abgefeuert zu haben, behauptet aber, ohnmächtig geworden zu sein, als das Licht ausging.«
    Das ergab einen Sinn. Grace hatte Wade Larue nur einmal gesehen. Man hatte sie in den Zeugenstand gerufen. Wobei ihre Aussage nicht über Schuld oder Unschuld entscheiden konnte. Sie konnte sich so gut wie gar nicht an Tumult und Panik erinnern. Und wer die Schüsse abgefeuert hatte, wusste sie erst recht nicht. Ihre Aussage sollte lediglich bei den Geschworenen Stimmung gegen Larue machen. Grace selbst hegte keine Rachegefühle. Wade Larue, der ganz offensichtlich unter Drogen gestanden hatte, erregte eher ihr Mitleid als ihren Hass.
    »Glauben Sie, er kommt frei?«, fragte sie.
    »Er hat eine neue Anwältin. Und die ist verdammt gut.«
    »Was ist, wenn sie ihn rauspaukt?«
    Vespa lächelte. »Sie sollten nicht alles glauben, was man über mich schreibt.« Dann fügte er hinzu: »Im Übrigen ist Wade Larue nicht der einzige, der für diese Nacht verantwortlich ist.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Er machte den Mund auf – und schwieg. »Wie ich schon sagte«, erklärte er schließlich. »Schauen wir’s uns lieber gemeinsam an.«
    Etwas an seinem Ton veranlasste sie, das Thema zu wechseln. »Sie haben behauptet, alleinstehend zu sein«, bemerkte Grace.
    »Wie bitte?«
    »Sie haben meiner Freundin gesagt, Sie seien ungebunden.«
    Er zeigte seinen Finger. Kein Ehering. »Sharon und ich wurden vor zwei Jahren geschieden.«

    »Das tut mir Leid.«
    »Zwischen uns hat es schon lange nicht mehr gestimmt.« Er zuckte die Schultern. »Wie geht es Ihrer Familie?«
    »Ganz okay.«
    »Habe ich da ein Zögern gehört?«
    Sie war unschlüssig.
    »Am Telefon sagten Sie, Sie brauchen Hilfe.«
    »Das stimmt.«
    »Also, was gibt’s?«
    »Mein Mann …« Sie hielt inne. »Ich glaube, mein Mann ist in Schwierigkeiten.« Sie erzählte ihm die Geschichte. Er hielt den Blick starr geradeaus gerichtet und vermied es, sie anzusehen. Gelegentlich nickte er, doch diese Kopfbewegung schien nichts unmittelbar mit ihrem Bericht zu tun zu haben. Er verzog keine Miene, was seltsam anmutete. Normalerweise war Carl Vespa ein lebhafter Zuhörer. Nachdem sie aufgehört hatte zu sprechen, schwieg er lange.
    »Dieses Foto«, sagte Vespa. »Haben Sie es dabei?«
    »Ja.« Sie gab es ihm. Seine Hand, so registrierte sie, zitterte leicht. Vespa starrte lange auf das Bild.
    »Kann ich es behalten?«, fragte er.
    »Ich habe Kopien davon.«
    Vespas Blick war noch immer auf das Foto gerichtet. »Darf ich Ihnen ein paar persönliche Fragen stellen?«
    »Warum nicht.«
    »Lieben Sie Ihren Mann?«
    »Sehr sogar.«
    »Liebt er Sie?«
    »Ja.«
    Carl Vespa war Jack nur einmal begegnet. Zur Hochzeit hatte er ein Geschenk geschickt. Emma und Max wurden regelmäßig zu ihren Geburtstagen von ihm bedacht. Grace bedankte sich stets schriftlich und spendete seine Geschenke für wohltätige
Zwecke. Was sie selbst betraf, stand sie zu ihrer Beziehung zu Carl Vespa. Ihre Kinder jedoch sollten dadurch nicht – wie sollte sie es ausdrücken – beeinträchtigt werden.
    »Sie haben sich in Paris kennen gelernt, oder?«
    »Eigentlich in Südfrankreich. Warum?«
    »Und wie haben Sie sich kennen gelernt?«
    »Was tut

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