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Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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»Der Vater von Ryan.«
    »Richtig.«
    »Er hat Sie mitgenommen?«
    »Ja.«
    »Was will er?«
    Grace überlegte. »Ich glaube, das weiß er selbst nicht.«
    Jetzt war es an Jimmy, zu schweigen.
    »Er glaubt, er möchte eine Entschuldigung hören.«
    »Glaubt?«
    »In Wirklichkeit will er seinen Sohn wieder haben.«
    Die Atmosphäre wurde drückend. Grace rutschte auf ihrem Stuhl herum. Jimmy war kreidebleich.
    »Ich hab’s versucht, wissen Sie. Mich zu entschuldigen, meine ich. Da hat er schon Recht. Das schulde ich ihm. Zumindest das. Und ich meine nicht diesen dämlichen Fototermin mit Ihnen im Krankenhaus. Mein Manager wollte das. Ich war so mit Drogen zu, dass ich mitgemacht habe. Ich konnte kaum stehen.« Er sah sie starr an. Sein Blick hatte diese Intensität, die ihm bei MTV massenweise Fans zugetrieben hatte. »Erinnern Sie sich an Tommy Garrison?«
    Sie erinnerte sich. Er war bei der Panik zu Tode getrampelt worden. Seine Eltern hießen Ed und Selma.
    »Sein Bild hat mich angerührt. Ich meine, das war bei allen der Fall. Diese jungen Leben … die hatten noch alles vor sich …« Er hielt inne, holte tief Luft und machte einen nächsten Versuch: »Aber Tommy … er hat wie mein kleiner Bruder ausgesehen. Ich habe ihn nicht aus dem Kopf gekriegt. Also habe ich seine Familie besucht. Ich wollte mich bei den Eltern entschuldigen …« Er verstummte erneut.
    »Was ist passiert?«
    »Ich bin hingefahren. Wir saßen an ihrem Küchentisch. Ich habe die Ellbogen aufgestützt und der Tisch hat gewackelt. Der
Linoleumfußboden war stellenweise aufgeworfen. Die Tapete, diese schreckliche gelbe Blumentapete, löste sich teilweise von den Wänden. Tommy war ihr einziges Kind gewesen. Ich habe ihr Leben gesehen, habe in ihre leeren Gesichter gesehen … Ich konnte es nicht ertragen.«
    Sie sagte nichts.
    »Danach bin ich geflüchtet.«
    »Jimmy?«
    Er sah sie an.
    »Wo sind Sie gewesen?«
    »An vielen Orten.«
    »Warum?«
    »Warum was?«
    »Warum haben Sie alles aufgegeben?«
    Er zuckte die Schultern. »So viel war da ehrlich gesagt nicht aufzugeben. Das Musikgeschäft … ich will nicht ins Detail gehen. Sagen wir, so viel Geld war für mich da noch nicht drin. Ich war neu. Es dauert eine Weile, bis man das große Geld verdient. War mir alles egal. Ich wollte nur fort.«
    »Und wohin ging die Reise?«
    »Zuerst nach Alaska. Habe Fische ausgenommen. Man glaubt es kaum. Ungefähr ein Jahr lang. Dann bin ich herumgereist, habe mit mehreren kleineren Bands gespielt. In Seattle bin ich auf eine Gruppe von Alt-Hippies gestoßen. Die haben den Mitgliedern von Weather Underground falsche Pässe angefertigt und so. Auch mir haben sie neue Papiere verschafft. Später bin ich eine Weile mit einer Band in einem Casino von Atlantik City aufgetreten. Im Tropicana. Ich habe mir die Haare gefärbt. Habe nur Schlagzeug gespielt. Niemand hat mich erkannt. Und wer mich erkannt hat, dem war’s egal.«
    »Waren Sie glücklich?«
    »Wollen Sie die Wahrheit hören? War ich nicht. Ich wollte zurückkommen. Ich wollte was wieder gutmachen und dann wieder
verschwinden. Aber je länger ich fortgeblieben bin, desto schwieriger wurde es. Und desto mehr habe ich es mir gewünscht. Ein Teufelskreis. Und dann habe ich Madison kennen gelernt.«
    »Die Leadsängerin von Rapture?«
    »Richtig. Madison. Nicht zu fassen, dass jemand so heißt. Ist ziemlich in, der Name. Erinnern Sie sich an den Film Splash? Mit Tom Hanks und dieser …«
    »Deryl Hannah«, ergänzte Grace automatisch.
    »Richtig. Die blonde Meerjungfrau. Da ist doch die Szene, in der Tom Hanks ihr einen Namen zu geben versucht. Er zählt alle möglichen auf. Jennifer oder Stephanie, und dann kommen sie an der Madison Avenue vorbei, und sie will plötzlich Madison heißen. Ist ein großer Lacher im Film. Eine Frau namens Madison! Und jetzt ist er tierisch in Mode.«
    Grace ließ das unkommentiert.
    »Na, jedenfalls kommt sie aus einem Nest in Minnesota. Ist mit fünfzehn nach New York durchgebrannt und schließlich ohne Kohle und obdachlos in Atlantic City gestrandet. Dort kam sie in ein Heim für obdachlose Jugendliche. Sie hat Jesus für sich entdeckt. Die übliche Masche. Man tauscht die eine Sucht gegen die andere. Und sie hat zu singen angefangen. Sie hat eine Stimme wie ein Janis-Joplin-Engel.«
    »Weiß sie, wer Sie sind?«
    »Nein. Wie Shania ihren Mutt Lange im Hintergrund hat, so hatte ich mir das mit Madison vorgestellt. Ich arbeite gern mit ihr. Ich mag ihre Musik.

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