Kein böser Traum
gearbeitet.«
Sie nickte.
»Und was hat er gemacht?«
»Nachtschichten.«
»Was hat er während dieser Nachtschichten gemacht?«
»Sachpfändungen. Gelegentlich hat er auch Vorladungen überbracht.«
»Was sonst noch?«
Sie sagte nichts.
»Wir haben eine Kamera mit Weitwinkelobjektiv und ein Fernglas in seinem Wagen gefunden.«
»Na und?«
»Sieht verdammt danach aus, als habe er jemanden beschattet.«
Sie sah ihn an. In ihren Augen schimmerten Tränen. »Glaubst du, er ist dabei ermordet worden?«
»Wäre eine logische Folgerung. Sicher weiß ich es erst, wenn du mir sagst, auf wen du ihn angesetzt hattest.«
Indira wandte den Blick ab. Sie begann mit dem Stuhl zu wippen.
»Hat er vorgestern Nacht jemand beschattet?«
»Ja.«
Erneutes Schweigen.
»Was genau war sein Auftrag, Indira?«
»Kann ich nicht sagen.«
»Warum nicht?«
»Ich habe Klienten. Die haben Rechte. Du kennst das Procedere, Stu.«
»Du bist keine Anwältin.«
»Nein, aber ich kann für Anwälte arbeiten.«
»Soll das heißen, dass er einen Job im Auftrag eines Anwalts durchgeführt hat?«
»Das soll gar nichts heißen.«
»Möchtest du dir das Foto noch mal ansehen?«
Sie hätte beinahe gelächelt. »Meinst du, das löst mir die Zunge?« Trotzdem warf Indira noch einen Blick darauf. »Ich sehe kein Blut«, bemerkte sie.
»Gab auch keines.«
»Er ist nicht erschossen worden?«
»Nein, ist er nicht. Weder Schusswaffe noch Messer waren im Spiel.«
Sie schien verwirrt. »Wie ist es dann passiert?«
»Weiß ich noch nicht. Der Pathologe hat ihn gerade auf dem Tisch. Aber ich habe da eine Vermutung. Interessiert?«
Sie war es nicht. Dennoch nickte sie bedächtig.
»Er ist erstickt.«
»Du meinst, man hat ihn erwürgt?«
»Kaum. Waren keine Würgemerkmale am Hals.«
Sie runzelte die Stirn. »Rocky war ein großer Bursche. Hatte die Kraft eines Ochsen. Muss Gift gewesen sein oder so was Ähnliches.«
»Glaube ich nicht. Der Polizeiarzt meinte, sein Kehlkopf sehe ziemlich ramponiert aus.«
Sie schien perplex.
»Genauer ausgedrückt, hat ihm jemand die Kehle zerquetscht wie ein rohes Ei.«
»Soll das heißen, jemand hat ihm mit bloßen Händen den Hals umgedreht?«
»Genaueres wissen wir noch nicht.«
»Unmöglich. Dazu war er einfach zu kräftig gebaut«, wiederholte sie.
»Hinter wem war er her?«, wollte Perlmutter wissen.
»Lass mich kurz telefonieren. Warte im Flur.«
Er gehorchte. Er musste nicht lange warten.
Als Indira herauskam, war sie kurz angebunden. »Ich kann dir nichts sagen«, erklärte sie. »Tut mir Leid.«
»Befehl des Anwalts?«
»Ich kann dir nichts sagen.«
»Ich komme wieder. Mit einem richterlichen Befehl.«
»Viel Glück«, sagte sie und wandte sich ab. Und Perlmutter hatte den Eindruck, dass sie es fast ehrlich meinte.
27
Grace und Scott Duncan kehrten zum Fotolabor zurück. Graces Mut sank, als sie eintraten und sie Sauerkrautbart nirgends entdecken konnte. Bruce, der stellvertretende Geschäftsführer, stand hinter der Theke. Er warf sich in die Brust. Als Scott Duncan seine Dienstmarke zückte, fiel er sofort wieder in sich zusammen. »Josh hat gerade Mittagspause«, sagte er.
»Wissen Sie, wo er die verbringt?«
»Normalerweise geht er zu Taco Bell. Liegt gleich die Straße hinunter.«
Grace kannte den Imbiss. Sie lief als Erste hinaus, aus Angst, erneut Joshs Spur zu verlieren. Scott Duncan folgte. Unmittelbar nachdem sie das Taco Bell betreten hatten und Grace der Duft von gebratenem Speck entgegenschlug, entdeckte sie auch schon Josh.
Und was gleichermaßen wichtig war, Josh entdeckte sie. Seine Augen wurden groß.
Scott Duncan stand neben ihr. »Ist er das?«
Grace nickte.
Josh, der Sauerkrautbart, saß allein an einem Tisch. Er hielt den Kopf jetzt leicht gesenkt, das Haar hing ihm wie ein Vorhang ins Gesicht. Sein Gesichtsausdruck – Grace hatte den Verdacht,
dass er zu keinem anderen fähig war – wirkte griesgrämig. Er biss in seinen Taco, als sei dies eine Beleidigung für seine Lieblings-Grunge-Gruppe. Er hatte die Kopfhörer aufgesetzt. Das Kabel fiel in die Sour Cream. Grace widerstrebte Besserwisserei, aber sich den ganzen Tag mit dieser Art von Musik voll zu dröhnen, konnte wirklich nicht gesund sein. Grace mochte Musik. Wenn sie allein war, drehte sie sie häufig auf volle Lautstärke, sang mit, tanzte, was auch immer. Es war also nicht die Musik, nicht einmal die Lautstärke, die sie störte. Aber welchen Einfluss hatte es wohl auf den
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