Kein Engel so rein
Kopf.
»Glücklich? Das hat nichts mit dem hier zu tun. Ich versuche, hier Ermittlungen anzustellen, und wenn du es genau wissen willst, ist es vielleicht nicht das Schlechteste, nicht mehr länger durch dich und deinen Kameramann gestört zu werden.«
»Das hast du ja jetzt glücklich erreicht. Und weißt du, diese Telefonnummer, unter der du mich gestern Abend angerufen hast?«
Bosch nickte. »Ja, was soll damit –«
»Verbrenn sie.«
Sie stieg die Treppe hinunter, winkte wütend mit dem Finger nach ihrem Kameramann und steuerte auf ihren Dienstwagen zu. Bosch sah zu, wie sie wegfuhr.
Als er an den Klapptisch zurückkehrte, waren nur noch Brasher und Edgar da. Sein Partner hatte seine zweite Portion Brathähnchen auf ein Häufchen Knochen reduziert. Er saß mit einem zufriedenen Grinsen da.
Bosch warf den Knochen, den er aus dem Bügel geklopft hatte, auf Edgars Teller.
»Das hat ja prima geklappt«, sagte er.
Dabei bedachte er seinen Partner mit einem Blick, aus dem hervorging, dass er wusste, welche Rolle Edgar bei dem Vorfall gespielt hatte. Aber dieser ließ sich nichts anmerken.
»Je eingebildeter sie sind, desto tiefer fallen sie«, sagte er bloß. »Ich würde nur gern wissen, ob der Kameramann das auch aufgenommen hat.«
»Es hätte nicht geschadet, sie weiter als Verbündete zu haben«, sagte Bosch. »Sich einfach so weit mit ihr arrangieren, dass sie auf unserer Seite steht, wenn wir sie mal brauchen.«
Edgar nahm seinen Teller und wuchtete seinen mächtigen Körper mühsam vom Tisch hoch.
»Bis gleich«, sagte er, »oben auf dem Hügel.«
Bosch sah Brasher an. Sie zog die Augenbrauen hoch.
»Glauben Sie, er war’s?«
Bosch antwortete nicht.
7
Die Arbeiten in der Stadt der Knochen dauerten nur zwei Tage. Wie Kohl vorhergesagt hatte, war die Mehrzahl der Skelettteile bis zum Ende des ersten Tages aufgespürt und aus der Erde unter den Akazien geborgen worden. Weitere Knochen waren nicht weit davon entfernt im Unterholz gefunden worden. Ihre willkürliche Anordnung deutete darauf hin, dass sie im Lauf der Jahre von Nahrung suchenden Tieren ausgegraben worden waren. Am Freitag kehrten die Such- und Grabungstrupps an den Tatort zurück, aber obwohl der Hügel von neuen Kadetten abgesucht und weitere wichtige Quadrate des Rasters freigelegt wurden, kamen keine neuen Knochen zum Vorschein. Ebenso wenig wurden bei Dampfsondierungen und Probegrabungen in den restlichen Quadraten des Rasters irgendwelche Knochen oder sonstige Hinweise entdeckt, dass weitere Leichen unter den Akazien verscharrt worden waren.
Kohls Schätzungen zufolge waren etwa sechzig Prozent des Skeletts geborgen worden. Auf ihre Empfehlung hin und mit Teresa Corazons Zustimmung wurden deshalb Ausgrabung und Suche am Freitag bei Einbruch der Dämmerung vorläufig eingestellt.
Bosch hatte keine Einwände erhoben. Er wusste, sie hätten für den enormen Aufwand nur sehr begrenzte Ergebnisse zu erwarten, und beugte sich deshalb dem Urteil der Experten. Außerdem konnte er es kaum erwarten, mit der Untersuchung und Identifikation der Knochen fortzufahren – Maßnahmen, die mehr oder weniger zum Erliegen gekommen waren, nachdem er und Edgar in den letzten zwei Tagen ausschließlich damit beschäftigt gewesen waren, die Bergung des Beweismaterials zu beaufsichtigen, die Anwohner zu befragen und die ersten Berichte über den Fall aufzusetzen. Das war zwar alles nötig, aber Bosch wollte vorankommen.
Samstagmorgen traf er sich mit Edgar im Foyer des gerichtsmedizinischen Instituts, wo sie der Empfangsdame sagten, sie hätten einen Termin mit Dr. William Golliher, dem von der UCLA bereitgestellten forensischen Anthropologen.
»Er erwartet Sie in Suite A«, sagte die Empfangsdame, nachdem sie sich den Termin telefonisch hatte bestätigen lassen. »Wissen Sie, wo das ist?«
Bosch nickte, und die Sperre ging summend auf. Sie fuhren mit dem Lift in den Keller, wo ihnen beim Verlassen der Kabine sofort der Geruch der Autopsieetage entgegenschlug. Es war eine Mischung aus Chemikalien und Verwesung, die einzigartig ist auf der Welt. Edgar zog sofort einen Papieratemschutz aus einem Wandspender und legte ihn an. Bosch verzichtete darauf.
»Solltest du aber, Harry«, sagte Edgar, als sie den Gang hinuntergingen. »Weißt du nicht, dass alle Gerüche aus winzigen Partikeln bestehen?«
Bosch sah ihn an.
»Danke für den Hinweis, Jerry.«
Sie mussten auf dem Gang stehen bleiben, als eine Bahre aus einem Obduktionsraum geschoben wurde.
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