Kein Engel so rein
getaucht, sagte er ein paar Worte, machte mit der Hand eine fächelnde Geste und schloss die Tür.
»Gut«, sagte Edgar.
Bosch ließ den Motor an, wendete und fuhr durch den Canyon zurück zur Hollywood Division.
»Und wie soll’s jetzt weitergehen?«, fragte Edgar.
»Wir müssen die Unterlagen über Trents Vorstrafe raussuchen; sehen, worum es dabei ging.«
»Das mache ich gleich als Erstes.«
»Nein. Als Erstes möchte ich die Durchsuchungsbefehle für die Krankenhäuser überbringen. Egal, ob Trent ins Bild passt oder nicht, müssen wir erst den Jungen identifizieren, um ihn mit Trent in Verbindung bringen zu können. Treffen wir uns um acht im Van Nuys Courthouse? Wir lassen sie unterzeichnen und teilen sie dann untereinander auf.«
Bosch hatte sich für das Gericht in Van Nuys entschieden, weil Edgar in der Nähe wohnte und weil sie getrennte Wege gehen konnten, sobald ein Richter die Durchsuchungsbefehle abgezeichnet hatte.
»Was ist mit einem Durchsuchungsbefehl für Trents Haus?«, fragte Edgar. »Ist dir irgendwas aufgefallen, als du dich dort umgesehen hast?«
»Eigentlich nicht. Er hat ein Skateboard, in einer Schachtel in der Garage. Du weißt schon, unter dem ganzen Kram für seine Arbeit. Um einen Set einzurichten. Ich musste an das T-Shirt unseres Opfers denken, als ich es sah. Und da waren ein Paar Arbeitsstiefel mit Schmutzresten in den Profilrillen. Möglicherweise stimmen sie mit den Bodenproben vom Hügel überein. Aber ich rechne eigentlich nicht damit, dass bei einer Durchsuchung etwas herauskommt. Der Kerl hatte zwanzig Jahre Zeit, um dafür zu sorgen, dass wir ihm nichts anhaben können. Falls er überhaupt der Gesuchte ist.«
»Glaubst du das denn nicht?«
Bosch schüttelte den Kopf.
»Der zeitliche Rahmen passt nicht. Vierundachtzig ist ziemlich spät, am äußersten Rand unseres Zeitfensters.«
»Ich dachte, wir suchen in einem Zeitraum zwischen fünfundsiebzig und fünfundachtzig.«
»Sicher. Aber der ist sehr weit gesteckt. Du hast doch Golliher selbst gehört – vor zwanzig bis fünfundzwanzig Jahren. Das ist allerhöchstens Anfang der Achtziger. Und vierundachtzig ist für mich nicht mehr Anfang der Achtziger.«
»Na ja, vielleicht ist er wegen der Leiche in das Haus gezogen. Er hat den Jungen vorher dort begraben und wollte in seiner Nähe sein. Also nimmt er sich in der Nähe ein Haus. Ich meine, Harry, die sind doch total krank, solche Typen.«
Bosch nickte.
»Das wäre natürlich eine Möglichkeit. Aber so einen Eindruck habe ich eigentlich nicht von ihm gewonnen. Ich habe ihm abgenommen, was er gesagt hat.«
»Harry, dein Riecher hat dich auch schon mal getäuscht.«
»Klar …«
»Ich glaube, er war es. Er ist unser Mann. Hast du gehört, wie er ›bloß weil ich einen Jungen angefasst habe‹ gesagt hat. Für ihn ist wahrscheinlich Unzucht mit einem Neunjährigen, die Hand auszustrecken und ihn anzufassen.«
Edgar ließ den Reaktionär raushängen, aber Bosch rieb es ihm nicht unter die Nase. Er war Vater, Bosch nicht.
»Wir besorgen uns die Unterlagen. Dann sehen wir weiter. Wir müssen auch in die Hall of Records, in den Umgekehrten nachsehen, wer damals in der Wonderland gewohnt hat.«
Die Umgekehrten waren Telefonbücher, in denen jede Person nach ihrer Adresse statt nach ihrem Namen aufgeführt war. Die Jahresausgaben dieser Verzeichnisse wurden in der Hall of Records aufbewahrt. Mit ihrer Hilfe ließe sich feststellen, wer zwischen 1975 und 1985, also in dem Zeitraum, in dem sie den Tod des Jungen ansiedelten, in der Wonderland Avenue gelebt hatte.
»Das kann ja heiter werden«, sagte Edgar.
»Allerdings«, sagte Bosch. »Ich kann’s kaum erwarten.«
Den Rest der Fahrt schwiegen sie. Boschs Stimmung sank immer mehr auf den Nullpunkt. Er war unzufrieden mit sich selbst und mit der Art, wie er die Ermittlungen bisher geführt hatte. Die Knochen waren am Mittwoch entdeckt worden, und am Donnerstag hatte er mit den Ermittlungen begonnen. Er wusste, er hätte die Namen – ein wesentlicher Bestandteil der Ermittlungen – schon vor Sonntag überprüfen sollen. Weil er so lange damit gewartet hatte, hatte er Trent einen Vorteil verschafft. Er hatte ihm drei Tage Zeit gelassen, um sich auf ihre Fragen vorzubereiten. Er hatte sogar einen Anwalt konsultiert. Er könnte seine Antworten und die Gesichter, die er dazu machte, sogar vor dem Spiegel einstudiert haben. Bosch wusste, was sein innerer Lügendetektor sagte. Aber er wusste auch, dass ihn ein guter
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