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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Vernehmung vorzubereiten.
    Das zweite Schlafzimmer diente als Arbeitszimmer und Abstellkammer. An den Wänden hingen gerahmte Plakate von Filmen, an denen Trent vermutlich mitgewirkt hatte. Einige von ihnen hatte Bosch, der selten ins Kino ging, im Fernsehen gesehen. Ihm fiel auf, dass auch ein Plakat des Films The Art of the Cape darunter war. Vor Jahren hatte Bosch in einem Mordfall ermittelt, in den der Produzent dieses Films verwickelt gewesen war. Ihm war zu Ohren gekommen, dass seitdem die Plakate für diesen Film im Hollywood-Underground begehrte Sammlerstücke waren.
    Als Bosch seinen Rundgang durch den hinteren Teil des Hauses beendet hatte, ging er durch eine Tür in der Küche in die Garage. Dort gab es zwei Stellplätze. Auf einem stand Trents Minivan. Der andere war mit Umzugskartons vollgestellt, die Aufschriften wie Küche, Bad oder Schlafzimmer trugen. Zuerst dachte Bosch bestürzt, Trent hätte noch immer nicht alles ausgepackt, nachdem er fast zwanzig Jahre zuvor hier eingezogen war. Dann wurde ihm klar, dass die Schachteln Requisiten für die Ausstattung von Filmsets enthielten.
    Als er sich umdrehte, blickte er auf eine ganze Wand voller ausgestopfter Tiere, die ihn aus schwarzen Glasaugen anstarrten. Bosch lief ein Schauder den Rücken hinunter. Anblicke wie dieser waren ihm zeit seines Lebens unangenehm gewesen. Warum, wusste er nicht.
    Er blieb noch ein paar Minuten in der Garage, hauptsächlich, um sich den Inhalt einer Schachtel mit der Aufschrift »Jungenzimmer 9-12« anzusehen. Sie enthielt Spielzeug, Flugzeugmodelle, ein Skateboard und einen Football. Als er das Skateboard herausnahm und kurz in Augenschein nahm, musste er die ganze Zeit an das T-Shirt mit dem Aufdruck »Solid Surf« denken, das sich im Rucksack des Jungen befunden hatte. Nach einer Weile legte er das Skateboard in die Schachtel zurück und schloss sie.
    In der Seitenwand der Garage war eine Tür. Sie öffnete sich auf einen gepflasterten Weg, der in den Garten hinter dem Haus führte. Dessen flachen Teil nahm fast zur Gänze ein Swimmingpool ein, hinter dem ein bewaldeter Abhang steil nach oben anstieg. Es war zu dunkel, um viel erkennen zu können, und Bosch wurde klar, dass er sich die Umgebung des Hauses noch einmal bei Tageslicht ansehen müsste.
    Zwanzig Minuten nach Beginn seiner kursorischen Hausdurchsuchung kehrte Bosch unverrich teter Dinge ins Wohnzimmer zurück. Trent blickte erwartungsvoll zu ihm auf.
    »Zufrieden?«
    »Fürs Erste, Mr. Trent. Vielen Dank für –«
    »Sehen Sie? Es nimmt nie ein Ende. ›Fürs Erste‹. Sie geben nie Ruhe, nicht? Ich meine, wäre ich ein Dealer oder Bankräuber, wäre meine Schuld beglichen, und Sie würden mich in Ruhe lassen. Aber weil ich vor fast vierzig Jahren mal einen Jungen angefasst habe, bin ich mein Leben lang schuldig.«
    »Ich glaube, Sie haben etwas mehr getan, als ihn nur anzufassen«, sagte Edgar. »Aber wir kriegen die Unterlagen. Keine Sorge.«
    Trent vergrub das Gesicht in seinen Händen und murmelte etwas in der Richtung, dass es ein Fehler gewesen sei zu kooperieren. Bosch sah Edgar an, der zum Zeichen, dass sie gehen konnten, nickte. Bosch holte sein Tonbandgerät. Er steckte es in die Brusttasche seines Sakkos, machte es aber nicht aus. Ein Jahr zuvor hatte er bei den Ermittlungen zu einem anderen Fall eine wertvolle Erfahrung gemacht: Manchmal werden die wichtigsten und verräterischsten Dinge gesagt, wenn die Vernehmung scheinbar schon zu Ende ist.
    »Mr. Trent, vielen Dank für Ihr Entgegenkommen. Wir verabschieden uns jetzt. Aber möglicherweise müssen wir morgen noch einmal mit Ihnen sprechen. Arbeiten Sie morgen?«
    »Um Himmels willen, rufen Sie mich bloß nicht während der Arbeit an! Ich brauche diesen Job dringend, und Ihretwegen verliere ich ihn noch. Sie sind mein Ruin.«
    Er gab Bosch die Nummer seines Pagers. Bosch notierte sie sich und ging zur Tür. Er blickte sich nach Edgar um.
    »Hast du ihn gefragt, ob er vielleicht verreisen wird? Er hat doch nicht vor, irgendwohin zu fahren, oder?«
    Edgar sah Trent an.
    »Mr. Trent, Sie sind doch beim Film, also kennen Sie den Text. Falls Sie vorhaben sollten, die Stadt zu verlassen, rufen Sie uns an. Wenn Sie das nicht tun und wir Sie suchen müssen … wird das nicht besonders erfreulich für Sie.«
    Trent sprach mit ausdrucksloser Monotonie, den Blick starr nach vorn gerichtet, auf einen Punkt in weiter Ferne.
    »Ich werde nirgendwohin fahren. Und jetzt gehen Sie bitte. Lassen Sie mich

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