Kein Engel so rein
– und drehte sich zur Seite. Er schob es in einen Aktenvernichter, der laut aufjaulte, als er das Dokument zerkleinerte. Dann wandte er sich wieder seinem Schreibtisch zu und griff nach dem übrig gebliebenen Blatt.
»Officer Medina, leiten Sie das an die Presse weiter.«
Er hielt Medina das Dokument hin. Dieser stand auf, um es an sich zu nehmen. Irving sah auf die Uhr.
»Gerade rechtzeitig für die Sechs-Uhr-Nachrichten.«
»Sir?«, sagte Medina.
»Ja?«
»Ähm, es gab ziemlich viele Anfragen wegen der falschen Meldungen auf Channel Four. Sollten wir …«
»Sagen Sie, zu polizeiinternen Ermittlungen geben wir grundsätzlich keinen Kommentar ab. Sie können auch hinzufügen, dass die Polizei die Weitergabe vertraulicher Informationen an die Medien nicht duldet oder hinnimmt. Das ist alles, Officer Medina.«
Medina machte den Eindruck, als hätte er eine weitere Frage, hielte es im Moment jedoch für besser, sie nicht zu stellen. Er nickte und verließ das Büro.
Irving nickte seiner Adjutantin zu, worauf sie die Tür des Büros schloss und im Vorzimmer blieb. Dann blickte der Deputy Chief von Billets zu Edgar zu Bosch.
»Diese Sache birgt einigen Zündstoff«, sagte er. »Sind wir uns über unser Vorgehen im Klaren?«
»Ja«, sagten Billets und Edgar einstimmig.
Bosch sagte nichts. Irving sah ihn an.
»Möchten Sie etwas dazu sagen, Detective?«
Bosch überlegte kurz, bevor er antwortete.
»Ich möchte nur sagen, dass ich rauskriegen werde, wer diesen Jungen umgebracht und dort oben verscharrt hat. Wenn es Trent war, wunderbar. Alles bestens. Aber wenn er es nicht war, suche ich weiter.«
Irving entdeckte etwas auf seinem Schreibtisch. Etwas Winziges wie ein Haar oder sonst ein mikroskopisch kleines Teilchen. Etwas, was Bosch nicht sehen konnte. Irving nahm es mit zwei Fingern und ließ es in den Abfallkorb hinter ihm fallen. Als er über dem Reißwolf die Finger aneinander rieb, fragte sich Bosch, ob diese Vorführung so etwas wie eine Drohung gegen ihn sein sollte.
»Nicht jeder Fall wird gelöst, Detective, nicht jeder Fall ist lösbar«, sagte Irving. »Ab einem bestimmten Punkt kann es unsere Pflicht durchaus erfordern, dass wir uns mit dringenderen Angelegenheiten befassen.«
»Wollen Sie mir eine Frist setzen?«
»Nein, Detective. Ich sage damit nur, dass ich Sie verstehe. Und ich hoffe, dass Sie auch mich verstehen.«
»Was passiert mit Thornton?«
»Das ist eine interne Angelegenheit. Darüber kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts sagen.«
Bosch schüttelte frustriert den Kopf.
»Passen Sie auf, Detective Bosch«, sagte Irving barsch. »Ich habe sehr viel Geduld mit Ihnen gehabt. Sowohl bei diesem Fall wie bei früheren.«
»Was Thornton gemacht hat, hat diese Ermittlungen behindert. Er sollte –«
»Wenn er dafür verantwortlich ist, wird entsprechend mit ihm verfahren werden. Aber behalten Sie dabei immer im Auge, dass er sich nicht in luftleerem Raum bewegt hat. Um diese Information weitergeben zu können, musste er sie erst mal von jemand bekommen. Das Verfahren läuft noch.«
Bosch sah Irving finster an. Die Botschaft war nicht zu überhören. Kiz Rider würde mit Thornton dran glauben müssen, wenn Bosch nicht nach Irvings Pfeife tanzte.
»Haben Sie mich verstanden, Detective?«
»Ich habe Sie verstanden. Laut und deutlich.«
21
Bevor er Edgar zur Hollywood Division zurückbrachte und dann nach Venice weiterfuhr, holte Bosch die Beweismittelbox mit dem Skateboard aus dem Kofferraum und ging damit ins Parker Center zurück, um sie ins Labor der Spurensicherung zu bringen. Am Schalter fragte er nach Antoine Jesper. Während er wartete, sah er das Skateboard genauer an. Allem Anschein nach war es aus laminiertem Sperrholz. Auf seinem Lacküberzug waren verschiedene Abziehbilder angebracht, unter denen besonders eins mit einem Totenkopf und zwei überkreuzten Knochen hervorstach.
Als Jesper an den Schalter kam, übergab ihm Bosch die Beweismittelbox. »Ich möchte wissen, wer das hier hergestellt hat und wann und wo es verkauft wurde. Die Sache hat Dringlichkeitsstufe eins. Bei diesem Fall sitzt mir die Chefetage im Nacken.«
»Kein Problem. Das Fabrikat kann ich Ihnen sofort sagen. Es ist ein Boney-Board. Die Dinger werden nicht mehr hergestellt. Er hat die Firma verkauft und ist, glaube ich, nach Hawaii, gezogen.«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Weil ich als Junge ein begeisterter Skateboarder war und immer so ein Deck wollte, bloß dass ich nie die nötige
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