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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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rumfahren. Und deshalb fahren wir in so was rum.«
    »Worum geht es? Der Wachmann am Tor sagte, Sie hätten einen Gerichtsbeschluss. Dürfte ich den bitte sehen?«
    Bosch setzte sich auf eine Couch, die ihr direkt gegenüber stand, mit einem schwarzen Couchtisch mit goldenen Intarsien dazwischen.
    »Oh, da muss er mich falsch verstanden haben«, sagte er. »Ich habe gesagt, wir könnten uns einen Gerichtsbeschluss besorgen, falls Sie sich weigern sollten, uns zu empfangen.«
    »Ja, wahrscheinlich«, erwiderte sie in einem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie Bosch kein Wort glaubte. »Weswegen wollen Sie mich sprechen?«
    »Wir müssen Ihnen ein paar Fragen über Ihren Mann stellen.«
    »Mein Mann ist schon fünf Jahre tot. Außerdem war er selten in Los Angeles. Was könnte er –«
    »Über Ihren ersten Mann, Mrs. Waters. Samuel Delacroix. Außerdem müssen wir über Ihre Kinder mit Ihnen sprechen.«
    Bosch sah sofort Wachsamkeit in ihre Augen treten.
    »Ich … ich habe sie schon Jahre nicht mehr gesehen oder mit ihnen gesprochen. Fast dreißig Jahre.«
    »Sie meinen, seit Sie Medizin für den Jungen holen gingen und vergessen haben, nach Hause zurückzukommen?«, sagte Edgar.
    Die Frau sah ihn an, als hätte er sie geschlagen. Bosch hatte gehofft, Edgar würde etwas mehr Taktgefühl an den Tag legen, wenn er den Entrüsteten spielte.
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Mrs. Waters«, sagte Bosch. »Erst möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen, dann können wir vielleicht zu Ihren kommen.«
    »Ich verstehe das alles nicht. Wie haben Sie mich gefunden? Was wollen Sie? Warum sind Sie hier?«
    Ihre Stimme wurde von Frage zu Frage schriller. Ein Leben, das sie vor dreißig Jahren abgelegt hatte, drängte sich plötzlich in das penibel geordnete Leben, das sie jetzt führte.
    »Wir ermitteln in einem Mordfall, Ma’am. Wir arbeiten an einem Fall, in den möglicherweise Ihr Mann verwickelt ist. Wir –«
    »Er ist nicht mein Mann. Ich habe mich vor mindestens fünfundzwanzig Jahren von ihm scheiden lassen. Das ist doch vollkommen verrückt. Sie kommen hierher, um mich nach einem Mann zu fragen, den ich kaum mehr kenne, von dem ich nicht mal wusste, dass er überhaupt noch lebt. Ich finde, Sie sollten besser gehen. Ich möchte, dass Sie gehen.«
    Sie stand auf und streckte ihre Hand in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Bosch sah Edgar an und dann wieder die Frau. Ihr Zorn ließ die Bräune in ihrem ebenmäßigen Gesicht fleckig erscheinen, ein Hinweis auf schönheitschirurgische Maßnahmen.
    »Mrs. Waters, setzen Sie sich«, sagte Bosch streng. »Bitte beruhigen Sie sich wieder.«
    »Mich beruhigen? Wissen Sie überhaupt, wer ich bin? Mein Mann hat diese Siedlung gebaut. Die Häuser, den Golfplatz, alles. Sie können hier nicht einfach so reinschneien. Ich brauche nur den Hörer abzunehmen und hätte in zwei Sekunden den Polizeichef –«
    »Ihr Sohn ist tot«, knurrte Edgar. »Der, den Sie vor dreißig Jahren zurückgelassen haben. Also setzen Sie sich schon und lassen Sie uns unsere Fragen stellen.«
    Sie plumpste auf die Couch, als wären ihr die Beine unter dem Körper weggezogen worden. Ihr Mund ging auf und wieder zu. Ihr Blick ruhte nicht mehr auf Bosch und Edgar, sondern auf einer fernen Erinnerung.
    »Arthur …«
    »Ganz richtig«, sagte Edgar. »Arthur. Schön, dass Sie sich wenigstens noch an ihn erinnern.«
    Ein paar Momente beobachteten Bosch und Edgar sie schweigend. All die zeitliche und räumliche Distanz reichte nicht aus. Die Nachricht traf sie. Tief. Für Bosch war das nichts Neues. Die Vergangenheit hatte es so an sich, plötzlich aus dem Boden hochzukommen. Immer direkt unter den Füßen.
    Bosch zog sein Notizbuch aus der Tasche und schlug es auf einer leeren Seite auf. Er schrieb »Halt dich zurück« darauf und reichte es Edgar.
    »Jerry, übernimm du doch das Schreiben? Ich glaube, Mrs. Waters möchte uns Auskunft geben.«
    Diese Worte rissen Christine Waters aus ihren traurigen Gedanken. Sie sah Bosch an.
    »Was ist passiert? War es Sam?«
    »Das wissen wir nicht. Deshalb sind wir hier. Arthur ist schon lange tot. Seine sterblichen Überreste wurden erst letzte Woche entdeckt.«
    Langsam hob sie eine zur Faust geballte Hand an ihren Mund. Sie begann, damit leicht gegen ihre Lippen zu schlagen.
    »Wie lang?«
    »Er wurde vor zwanzig Jahren vergraben. Identifizieren konnten wir ihn schließlich dank eines Anrufs Ihrer Tochter.«
    »Sheila.«
    Es war, als hätte sie den Namen so

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