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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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war.
    »Ich weiß, dass Sie uns helfen wollen, den Mörder Ihres Sohnes zu finden. Wir werden versuchen, das Ganze so schnell wie möglich hinter uns zu bringen.«
    Sie nickte einmal.
    »Erzählen Sie uns einfach von Ihrem Ex-Mann.«
    »Die ganze widerwärtige Geschichte?«, fragte sie rhetorisch. »Ich gebe Ihnen die Kurzfassung. Ich lernte ihn beim Schauspielunterricht kennen. Ich war achtzehn. Er war sieben Jahre älter, hatte bereits ein paar Filmrollen gehabt und sah darüber hinaus sehr, sehr gut aus. Man könnte sagen, ich war ihm rasch verfallen. Und ich wurde schwanger, bevor ich neunzehn war.«
    Bosch vergewisserte sich, ob Edgar etwas davon aufschrieb. Edgar bemerkte den Blick und begann zu schreiben.
    »Wir heirateten, und Sheila kam zur Welt. Ich versuchte nicht, Karriere zu machen. Ich muss zugeben, so wichtig war mir das nicht. Schauspielerin zu werden war damals für mich einfach das, was man eben machte. Ich hatte das Aussehen dafür, merkte aber bald, dass in Hollywood jedes Mädchen das Aussehen dafür hatte. Ich war vollauf damit zufrieden, zu Hause zu bleiben.«
    »Wie sah es bei Ihrem Mann in beruflicher Hinsicht aus?«
    »Zunächst sehr gut. Er bekam eine feste Rolle in First Infantry. Haben Sie die Serie mal gesehen?«
    Bosch nickte. Es war eine im zweiten Weltkrieg spielende Serie, die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre lief. Doch dann führte die veränderte Einstellung der Bevölkerung zum Vietnamkrieg und zum Krieg generell zu sinkenden Einschaltquoten, sodass sie eingestellt wurde. Thema der wöchentlich gesendeten Serie waren die Erlebnisse eines amerikanischen Armeetrupps hinter den deutschen Linien. Bosch hatte die Sendung als Kind sehr gemocht und immer versucht, keine Folge zu versäumen, ob er nun bei Pflegeeltern war oder in einem Heim.
    »Sam spielte einen Deutschen. Wegen seiner blonden Haare und seines arischen Aussehens. Er war die letzten zwei Jahre dabei. Bis ich mit Arthur schwanger wurde.«
    Das unterstrich sie mit einem Schweigen.
    »Dann wurde die Serie wegen dieses idiotischen Kriegs in Vietnam abgesetzt. Sie wurde eingestellt, und Sam hatte Mühe, Arbeit zu finden. Er war auf diesen Deutschen festgelegt. Damals fing er richtig an zu trinken. Und mich zu schlagen. Tagsüber bewarb er sich für Rollen, ohne allerdings etwas zu kriegen. Und die Nächte verbrachte er damit, sich zu betrinken und seinen Frust an mir abzureagieren.«
    »Warum an Ihnen?«
    »Weil ich es war, die schwanger geworden war. Zuerst mit Sheila und dann mit Arthur. Das war beide Male nicht geplant gewesen, und irgendwann wuchs ihm einfach alles über den Kopf. Er reagierte sich an dem ab, der ihm gerade in die Quere kam.«
    »Er wurde tätlich gegen Sie.«
    »Tätlich? Wie abstrakt sich das anhört. Aber doch, er wurde tätlich. Viele Male.«
    »Haben Sie ihn mal die Kinder schlagen sehen?«
    Das war die Schlüsselfrage, deretwegen sie hergekommen waren. Alles andere war reine Staffage.
    »Nicht direkt«, sagte sie. »Nur als ich mit Arthur schwanger war, hat er mich mal geschlagen. In den Bauch. Davon ist die Fruchtblase geplatzt, und die Wehen setzten sechs Wochen vor dem eigentlichen Termin ein. Arthur wog bei der Geburt gerade mal zwei Kilo.«
    Bosch wartete. Der Ton, mit dem sie gesprochen hatte, deutete darauf hin, dass sie mehr sagen würde, wenn er ihr den Freiraum dafür ließ. Er blickte durch die Schiebetür hinter ihr auf den Golfplatz hinaus. Dort war ein tiefer Bunker, der ein Grün abschirmte. In diesem Bunker holte ein Mann in rotem Hemd und karierter Hose zum Schlag nach einem unsichtbaren Ball aus. Aus dem Bunker flogen Schwaden von Sand auf das Grün. Aber kein Ball.
    Weiter hinten, auf der anderen Seite des Grüns, standen zwei Golfcarts, aus denen drei Golfer stiegen. Die obere Kante des Bunkers verdeckte ihnen die Sicht auf den Mann im roten Hemd. Bosch beobachtete, wie der Mann das Fairway hinauf und hinunter spähte, ob ihn jemand beobachtete; dann bückte er sich, hob den Ball auf und warf ihn im hohen Bogen eines perfekt getroffenen Schlags auf das Grün. Als er aus dem Bunker kletterte, hielt er den Schläger mit beiden Händen auf eine Art, die den Eindruck erwecken sollte, dass er den Ball gerade geschlagen hatte.
    Schließlich begann Christine Waters wieder zu sprechen, und Bosch wandte sich ihr zu.
    »Arthur wog bei der Geburt nur zwei Kilo. Er war das ganze erste Jahr sehr klein und kränkelte ständig. Wir sprachen zwar nie darüber, aber ich glaube, uns war beiden

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