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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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darfst du das nicht glauben. Niemals, verstehst du?«
    »Ja«, murmelte Ethan.
    »Und jetzt schlaf gut. Wir sehen uns morgen früh, okay?«
    »Kann ich noch ein Glas Wasser haben?«, fragte Ethan.
    »Morgen wieder. Jetzt wird geschlafen.«
    Auf leisen Sohlen begab ich mich in unser Schlafzimmer, ehe Jan das Licht ausmachte und auf den Flur trat.

3
    »Sieh dir das mal an«, sagte Samantha Henry, meine Redaktionskollegin, die am Schreibtisch neben mir saß.
    Ich rollte meinen Stuhl hinüber und warf einen Blick auf den Monitor, ohne ihr allzu dicht auf die Pelle zu rücken – nicht dass sie am Ende glaubte, ich wollte an ihrem Haar riechen.
    »Das ist ein Bericht über die letzte Konferenz der Planungskommission, bei der es um den Bau einer neuen Wohnsiedlung ging«, sagte sie. »Verfasst von einem unserer indischen Freunde. Hier, den Absatz musst du mal lesen.«
    »Stadtrat Richard Hemmings zeigte sich äußerst konsterniert darüber, dass in den engen Zimmern lauter Mäuselöcher seien.« Ich grinste. »Soso. Da hat wohl jemand etwas falsch verstanden.«
    »Eng wie Mauselöcher.« Samantha schüttelte den Kopf. »Und so was passiert in letzter Zeit dauernd. Verdammt noch mal, wofür werden diese Typen eigentlich bezahlt? Hast du mitgekriegt, was gestern reinkam?«
    »Ja«, sagte ich. Entgegen den Verlautbarungen unserer ausländischen Mitarbeiter war kein Kind in den städtischen Brunnen gefallen, und tatsächlich hatte auch niemand auf einem Schlauch gestanden. Und als sei es nicht schlimm genug, dass unsere Kollegen in Indien mit den Wendungen unserer Sprache auf Kriegsfuß standen, kam es inzwischen allzu oft vor, dass unsere Schlussredakteure derartige Fehler auch noch einfach übersahen. Allmählich schien beim Standard so ziemlich alles schiefzulaufen, was überhaupt schieflaufen konnte.
    »Ist das hier eigentlich allen scheißegal?«, fragte Samantha.
    Ich rückte ein Stück ab, lehnte mich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Irgendwie fühlte ich mich immer wohler, wenn ein gewisser Abstand zwischen uns herrschte. Wir hatten irgendwann eine kurze Affäre gehabt, doch obwohl sie lange zurücklag, hatte ich keine Lust auf Getuschel unter den Kollegen, nur weil wir die Köpfe zu oft zusammensteckten.
    Ich spürte, dass ich jeden Moment hintenüberkippen würde, und beugte mich vor. »Gute Frage.«
    »Ich fasse es nicht«, sagte Samantha. »Seit fünfzehn Jahren arbeite ich jetzt hier, und als ich gestern im Materiallager war, um mir einen neuen Stift zu holen, sagt das Mädchen dort allen Ernstes zu mir, ich solle erst mal den alten vorzeigen. Und jedes zweite Mal, wenn ich zur Toilette gehe, fehlt das Klopapier.«
    »Die Russells spielen anscheinend mit dem Gedanken, die Zeitung zu verkaufen«, sagte ich. Es war das Nummer-eins-Gerücht in der Redaktion. »Ist doch logisch, dass sie die Kosten zu reduzieren versuchen. Wenn der Laden wieder Profit abwirft, ist es einfacher, ihn zu verscherbeln.«
    Samantha Henry verdrehte die Augen. »Wer soll uns schon kaufen?«
    »Sicher ist sowieso nichts. Bislang gibt es nur Gerede.«
    »Ich glaube das nicht. Der Standard befindet sich seit Generationen in Familienbesitz.«
    »Tja, aber mittlerweile ist eine andere Generation am Ruder. Die haben keine Tinte mehr in den Adern.«
    »Madeline war mal eine von uns«, sagte Samantha, als müsse sie mich daran erinnern, dass unsere Verlegerin früher Reporterin gewesen war.
    »Das ist lange her«, erwiderte ich.
    Überall im Land machten Zeitungen dicht, deshalb war es nicht weiter verwunderlich, dass Samantha sich Sorgen um ihre Zukunft machte. Sie war geschieden und hatte eine achtjährige Tochter. Ihr Mann hatte sich schon vor Jahren von ihr getrennt und noch nie einen Cent Unterhalt gezahlt. Früher war er selbst beim Standard gewesen, arbeitete aber mittlerweile für ein Blatt in Dubai. Und auf diese Entfernung war erst recht nichts mehr zu holen.
    Kurz nach ihrer Scheidung hatte Sam sich nichts von Ängsten anmerken lassen. Kein Problem, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen. Damals saßen wir zwar noch nicht an benachbarten Schreibtischen, doch unsere Pfade kreuzten sich oft genug, ob nun in der Cafeteria oder nach Feierabend in der nächsten Bar. Und manchmal ließ sie bei unseren Begegnungen durchblicken, wie schwierig alles für sie und ihre kleine Tochter war.
    Tja, wahrscheinlich hatte ich ihren Lebensretter spielen wollen.
    Ich mochte Sam. Sie war sexy, humorvoll und intelligent. Und ich

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