Kein Entrinnen
Ausgangspunkt zurück. Er versuchte die Hecken auseinanderzubiegen, um hindurchzusehen, doch sie waren zu dicht. Er suchte den Boden nach Spuren ab und spitzte die Ohren. Noch mehr Geräusche drangen zu ihm. Stöhnen vielleicht. Er fürchtete, einen seiner Studenten verletzt zu finden. Er war sich sicher, dass er nicht allein war und dass der Schuss von hier gekommen war.
In diesem Augenblick hörte er ein Pfeifen. Immer wieder. Zuerst schwer zu identifizieren. Dann wurden ganz in seiner Nähe Blätter und Zweige zerfetzt. Er warf sich zu Boden.
Jemand schoss auf ihn. Eine Pistole mit Schalldämpfer. Die Schüsse gingen kreuz und quer los, und die Kugeln drangen durch mehrere Hecken hintereinander.
Eine davon streifte ihn. Blätter fielen ihm auf den Kopf. Sollte er schreien? Aber nach wem sollte er rufen? Er ballte die Fäuste und wartete, bis es aufhörte. Schritte näherten sich. Waren sie hinter ihm? Ganz nahe jedenfalls. Franklins Herz klopfte wie rasend. Er kroch bis zur nächsten Biegung, doch auch dort steckte er in einer Sackgasse fest.
Die Schritte hinter ihm waren von Keuchen begleitet. Jemand, der sich verirrt hatte? Franklin stürzte hinter eine Gipsstatue der Phädra, die auf Myrtenblätter einsticht. Er riss ihr einen Arm ab und holte aus, um ihn auf dem Kopf seines Verfolgers zu zertrümmern.
Es war Mary.
Sie wollte aufschreien, aber er presste seine Hand auf ihre Lippen.
»Ich kenne den Ausweg aus dem Labyrinth«, flüsterte sie ihm zu, nachdem er sie losgelassen hatte.
Kein Schuss und kein Lärm waren mehr zu hören.
»Lass uns vorsichtig hingehen.«
Frank glitt hinter ihr durch die Hecken. Bei jeder Biegung fürchtete er, auf eine Leiche zu stoßen; bei jeder Statue glaubte er, ihren Widersacher mit der Waffe in der Hand zu erblicken.
Sie gelangten ins Herz des Irrgartens. Zu dem kreisrunden freien Platz mit dem Brunnen und zu einer nun vollkommen in zwei Hälften geteilten Hecke. Dahinter sah man eine spaltbreit geöffnete Gittertür, drei kleine Stufen und den Eingang eines Tunnels.
»Das ist einer der Gänge zu den unterirdischen Gewölben, die zum Schloss führen«, erklärte Mary.
»Unterirdische Gewölbe? Was für unterirdische Gewölbe, zur Hölle?«
»Manche sind noch aus Iacobs Zeit. Sie verlaufen rund um das Gebäude. Dieses hier ist eines der ältesten.«
Frank fiel aus allen Wolken.
»Aber wie kann Boz so etwas erfahren haben? Er ist nur einmal hierhergekommen …«
»Wenn er eines der Klubmitglieder in seiner Gewalt hat, braucht er nichts zu wissen. Die unterirdischen Gemäuer von Durrisdeer sind das Territorium des Klubs der Schreiber. Sie kennen sie besser als jeder andere!«
Franklin fand eine zurückgelassene Pistole auf einer Stufe. Leer. Ohne Schalldämpfer.
»Bestimmt die, aus der der erste Schuss abgefeuert wurde.«
Er wollte in den Tunnel stürzen, doch Mary hielt ihn zurück.
»Warte. Ich weiß, wo der Gang im Schloss endet«, sagte sie zu ihm. »Wir sind schneller dort, wenn wir durch den Park laufen.«
Frank stimmte zu. Er bedauerte, dass er seine beiden Waffen nicht bei sich hatte.
Sie liefen zum Ausgang des Labyrinths.
Was sollten sie nun tun? Sich in die unterirdischen Gemäuer stürzen und Boz am anderen Ende des Tunnels überraschen? Ihn mit bloßen Händen festhalten? Er wusste nicht, wozu er sich entscheiden sollte. Er gehorchte nur seiner Wut. Der Wut, ihm gegenüberzustehen, während das FBI verschwunden war.
Am Ausgang des Gartens trafen sie auf Patricia, die telefonierte.
»Wir brauchen Verstärkung!«, schrie Franklin ihr zu. »Rufen Sie alle zurück!«
»Haben Sie Boz gesehen?«
Frank schüttelte verneinend den Kopf, dann ergriff er ohne Vorwarnung die Waffe, die Patricia in der Hand hielt, und lief mit Mary zum Schloss.
»Nein, Franklin!«, schrie die Agentin wieder.
Doch er war schon weit weg mit Mary.
»Ich bin hier aufgewachsen«, keuchte Emersons Tochter außer Atem. »Ich weiß beinahe so viel wie Oscar und die anderen über die unterirdischen Gänge.«
Sie liefen am Theater vorbei, in dem Lewis Emerson seine Lobeshymnen auf Ben O. Boz vom Stapel ließ.
Sie betraten die Eingangshalle des Schlosses. Mary stürzte zur Mitte der hufeisenförmigen Treppe, warf das Buch mit der Charta von seinem Pult herunter und umklammerte das große Gemälde von Ian E. Iacobs.
»Hilf mir!«, rief sie. »Es ist schwer.«
Zu zweit ergriffen sie den massiven Holzrahmen und zogen daran. Er glitt langsam beiseite und knarzte dabei wie die
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