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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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eingegangen waren. Die Texte, die ihm angeboten wurden, waren mittelmäßig. Selbst durch zwei Jahre intensiver Kurse war mit diesen Kandidaten kein Preis zu gewinnen. Er schob die bereits vorgefertigten Absagen in die mit Briefmarken versehenen Umschläge, auf denen der Stempel mit dem Wappen von Durrisdeer prangte. Bis jetzt hatte er nur neun Studenten für das neue Studienjahr im Oktober zugelassen. Seine erste Klasse.
    Müde ließ der Professor sich in seinen Sessel zurücksinken. Die Fenster waren geöffnet und ein Geruch von sonnendurchflutetem Wald hing im Raum. Es war heiß. Die Wände des Arbeitszimmers waren mit Marys Zeichnungen und Modeskizzen tapeziert. Hypergestylte, graziöse Silhouetten in pastellfarbenen Tönen, die die Hände in die Hüften stemmten. Seine Schriftstellerklause hatte sich erheblich verändert.
    Nach allem, was sie durchgemacht hatten, standen er und Mary sich näher als je zuvor. Die familiären Spannungen auf Seiten der Emersons waren verschwunden, vor allem nach dem Massaker, das für lange Zeit Gesprächsthemen und Auseinandersetzungen verändert hatte.
    Mary hatte ein Praktikum in einem New Yorker Modehaus aufgetan. Sie sahen sich nur am Wochenende; entweder sie kehrte nach Durrisdeer zurück, oder er besuchte sie im rosafarbenen Apartment ihrer Freundin.
    Nach Boz’ Tod hatte er aufgeatmet. Der Autor wusste, dass Franklin ihn verraten hatte. Dass er sich entsprechend rächen würde, war daher zweifellos nur eine Frage der Zeit. Frank hatte Angst um Mary und um seine Mutter gehabt.
    Nach der Rückkehr von der Bestattungszeremonie in Kanada hatte er endlich seine Pistole und alle Unterlagen, die er aufbewahrt hatte, in einem Koffer verstaut, den er auf den Speicher des Hauses räumte.
    Er wollte jetzt einen Schlussstrich unter dieses Drama ziehen. So schnell wie möglich.
    Die Ermittlungen um das FBI tangierten ihn nie. Der Mann, der Ike Granwood ersetzte, bestellte ihn Anfang Juli zu sich. Er ließ ihn sein Schweigegelübde erneuern. »The Last Word« war inzwischen nicht mehr nur ein Geheimnis der Bundesbehörde, sondern ein regelrechtes Staatsgeheimnis. Frank hätte die lange Rede des Spitzenagenten nicht gebraucht, um zu wissen, was ihm drohte, wenn er den Mund aufmachte.
    Das Telefon klingelte.
    Frank blickte auf seine Uhr: 15 Uhr 20. Es war ein Donnerstag. Das musste Mary sein, die ihm mitteilte, ob sie morgen Abend mit dem Zug käme oder nicht.
    Er ging in sein Schlafzimmer, um abzuheben.
    Währenddessen gab sein Handy zwei Piepstöne von sich. Er trug es am Gürtel. Er warf einen Blick darauf, es war eine Textmeldung, die besagte: »Guten Tag.«
    Mary …
    Frank hob sein Festnetztelefon ab.
    »Mist!«
    Er hörte das Faxsignal und stieg hastig ins Wohnzimmer hinunter, wo das Gerät stand, und drückte den Empfangsknopf.
    Während der Drucker ratterte, blickte er wieder auf sein Handy.
    Das »Guten Tag« stammte von einer Nummer, die nicht in seinem Telefonbuch gespeichert war. Er betätigte die Rückruftaste, stieß jedoch auf eine Tonbandansage: »Diese Nachricht wurde Ihnen übermittelt vom kostenlosen Mailboxsystem von AOL …« Es folgten Werbetexte untermalt von Popmusik.
    Frank erbleichte. Auf der ausgedruckten Faxseite las er den gleichen Wortlaut: »Guten Tag«. In Druckbuchstaben. Oben auf der Seite stand eine 0800-Nummer, gefolgt vom Namen eines Internetproviders. Ein anonymes elektronisches Mailsystem.
    Im ersten Stock signalisierten die Lautsprecher seines Computers das Eintreffen einer E-Mail. Frank rührte sich nicht. Er wusste bereits, dass er auf ein drittes »Guten Tag« stoßen würde. Ohne Unterschrift.
    Genau auf diese Weise hatte Ben O. Boz ihm direkt nach den Morden von Durrisdeer das Ende ihrer Zusammenarbeit mitgeteilt: eine SMS, ein Fax und eine E-Mail gleichzeitig.
    »Um Gottes willen …«
    Wieder läutete das Haustelefon, er stürzte hin, um abzuheben, doch er brachte kein Wort heraus. Er wartete.
    »Hallo? Hallo, Franklin?«
    Es war Stuart Sheridan.
    Die beiden Männer hatten zunehmend seltener miteinander gesprochen. Ihre Wege hatten sich auf den Iles de la Madeleine gekreuzt, doch der Cop hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass er diese Geschichte vergessen und den Blick nach vorne richten wollte.
    Frank antwortete, dass er am Apparat sei.
    »Ah! Sheridan am Apparat. Sitzen Sie gut?«
    »Warum?«
    »Weil ich etwas für Sie habe. Ich komme gerade aus Dovington zurück.«
    Franklin spürte, wie die Angst wieder nach ihm griff. Eine Angst, die

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