Kein Entrinnen
Franklin. »Er hat Sie geblendet, vierundzwanzig Tote, man stelle sich das vor! Er tat so, als wollte er etwas mitteilen, er hinterließ falsche Indizien, die angebliche Schwächen verraten sollten, und Sie, Sie sind ihm auf den Leim gegangen. Sie waren überzeugt, Sie hätten die Karten in der Hand. Sie verkünden eine totale Nachrichtensperre, Sie machen das Gegenteil von dem, was er scheinbar wünscht! Sie haben geglaubt, Sie könnten ihn durch Ihre übliche Methode zu fassen bekommen, dabei hat er Sie reingelegt, hat Sie zu dem gleichen falschen Stolz verleitet. Sie haben einen Fehler begangen, genauso wie ein Serienmörder ihn unter dem gleichen Druck begehen würde. Bestimmt den, den er erwartet hat! … Etwas Extremes … Die Leichen verstecken? Die vierundzwanzig verschwinden lassen, ohne die Familien zu benachrichtigen! Damit sind Sie auf Ihre eigenen Methoden hereingefallen und mit Ihren eigenen Waffen geschlagen worden. Dem Stolz.«
Er lächelte freudlos.
»Und wo ist Boz heute?«, fragte er.
»Sobald die Vernehmungen in Durrisdeer beendet waren, ist er für zehn Tage auf die Turks- und Caicoinseln geflogen«, sagte Patricia. »Ich habe es überprüft, er hat seinen Verlegern noch kein neues Buch angekündigt.«
»Das wird nicht lange dauern.«
Franklin holte sein Handy sowie zwei Blatt Papier hervor.
»Gestern habe ich gleichzeitig eine E-Mail, eine SMS und ein Fax erhalten. Von ihm. Sie besagen, dass er seine Mitarbeit an meinem Essay rückgängig macht.«
Sheridan hob die Arme zum Himmel.
»Das ist logisch! Er weiß jetzt alles. Als er die vier Jungen umbrachte, hat er sie bestimmt nicht nur über die Eingänge und geheimen Einrichtungen der unterirdischen Gewölbe von Ian E. Iacobs ausgequetscht! Er weiß, welches Spiel wir mithilfe von Frank Franklin aufziehen wollten. Er weiß, dass der Klub nicht Turds Leiche besaß. Er weiß, dass wir ihm eine Falle stellen wollten.«
»Ja …«
Melanchthon wandte sich an den jungen Mann.
»Was wollen Sie jetzt machen, Franklin?«
»Ich weiß es nicht … Ich kann nicht mehr mit dem Schutz des FBI rechnen, stimmt’s?«
Wieder trat Schweigen ein.
Patricia sagte: »Als Sie Boz das erste Mal bei ihm zu Hause trafen, gab er Ihnen zu verstehen, dass er seinen größten Triumph vorbereite. Sein Meisterwerk. Das FBI, sein Intimfeind, ist heute schwer angeschlagen, und ich werde eine Stelle in einem Provinzkommissariat antreten. Er hat uns in Durrisdeer ein letztes Mal verschaukelt, und jetzt schlürft er genüsslich einen Cocktail in der Karibik! Er hat nicht gelogen! Er triumphiert wirklich. Und wir? Wir reiben uns verwundert die Augen, ohne Zeugen, ohne Indizien, ohne Beweisstücke. Immer diese gleichen drei Luschen auf der Hand …«
»Also was nun?«, fragte Franklin. »Ist die Sache gelaufen?«
Niemand antwortete ihm.
TEIL DREI
1
Am 29. August, dreieinhalb Monate nach dem vierfachen Mord von Durrisdeer, wurde die Polizeistreife des Bezirks B in Concord von zwei Jungen alarmiert, die behaupteten, sie hätten eine menschliche Gestalt im Wasser des Merrimack River gesehen.
Vor Ort entdeckten die beiden Polizeibeamten die Leiche eines Mannes, der auf einer Kiesbank angeschwemmt worden war. Der Tote war aufgedunsen, seine Haut war grauenhaft blau angelaufen, seine Kleidung hing in Fetzen, und die Wunden und Körperöffnungen waren schwarz und von den Fischen angefressen. Es stand außer Zweifel, dass der Leichnam mehrere Kilometer flussaufwärts in den Fluss geworfen worden war und dass er seit Tagen darin trieb. Die Strömung war mächtig und der Körper trug die Spuren der heftigen Zusammenstöße mit den Felsen und den im Flusslauf liegenden Baumstämmen.
Der Tote wurde in die Leichenhalle des Allgemeinkrankenhauses von Concord gebracht.
Basile King übernahm die Autopsie. Der sorgfältig durchgeführte Schnitt vom Schlüsselbein bis zum Schambein ließ literweise Wasser hervorsprudeln und überschwemmte das Labor.
Dennoch konnte man nicht mit hundertprozentiger Sicherheit Tod durch Ertrinken diagnostizieren. Der Verfall der inneren Organe war zu fortgeschritten, um eine frühere Todesursache, etwa durch Vergiftung oder gar Erwürgen, auszuschließen.
King hatte DNA-Proben und einen Gebissabdruck an die Abteilung für Identifizierungen geschickt. Es dauerte fünf Tage, bis der Name feststand.
Der aus den Fluten des Flusses gefischte Leichnam war der von Clark Doornik, 60 Jahre, geboren in Iowa, alias Ben O. Boz.
Vier Tage später nahm
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