Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
Vom Netzwerk:
sein, dass sie am nächsten Tag ihr Konterfei im Fernsehen sehen würde, verbunden mit wiederholten Suchmeldungen und einem Aufruf an etwaige Zeugen, sich zu melden. Sheridan hoffte auf Neuigkeiten über seine Vierundzwanzig.
    Den ganzen Tag über hatte er bei den Notrufzentralen der Polizei im ganzen Bundesstaat nachfragen lassen. Aber kein Mensch hatte sich gemeldet. Keine Eltern, kein Freund, kein Kollege, kein Nachbar. Niemand.
    »Wer sind diese Leute nur?«
    Im Fernsehen wirkte die Nachrichtensperre. Nichts über die makabre Szenerie der vergangenen Nacht.
    Sheridan setzte sich mit seiner Frau und den Kindern im Esszimmer zum Abendessen. Die Gespräche drehten sich um die sportlichen Leistungen des Ältesten, ein Gerücht im Viertel über die neuen Nachbarn und die Enttäuschungen des Jüngsten, der mit gerade einmal fünf Jahren seinen ersten Liebeskummer erlebte.
    Sheridan antwortete zerstreut, er war mit den Gedanken woanders.
    Nach der Mahlzeit schloss er sich in seinem Büro im ersten Stock ein und rief Gardner und Tajar an. Die Sekten und die Selbstmörderklubs.
    Gardner hatte während des Tages alle Überwachungsberichte über die okkulten Gruppen des Landes studiert. Kein Kommentar über die Ereignisse der letzten Nacht war aufgetaucht. Was die wilde Geburt oder die Verbrennungen des Jungen anging, so erinnerte er daran, dass Verstümmelungen bei bestimmten Sekten, nämlich bei den sogenannten Millenaristen, gang und gäbe waren. Die Geburt konnte Folge eines Gesetzes sein, das die Anhänger zu einer vollständigen Rückkehr zur Natur und in die Vorzeit zwang.
    Tajar wiederum erklärte, dass nach einem assistierten Selbstmord häufig in entsprechenden Internetforen Glückwünsche und Ermutigungen für die anderen auftauchten. Das war bisher nicht der Fall gewesen.
    Gegen Mitternacht ging Sheridan mit dem Gedanken zu Bett, dass ihm noch ein oder zwei Tage blieben, um weiterzukommen.
    Doch um ein Uhr morgens schrillte sein Telefon.
    Wieder war Lieutenant Garcia am Apparat.
    »Drei Leichen in der Leichenhalle wurden identifiziert.«
    »Ausgezeichnet!«
    Sheridan richtete sich auf. Er war hellwach.
    »Das kommt darauf an«, antwortete ihm der Lieutenant. »Nur eine einzige der drei Leichen stammt aus unserer Gegend. Die zwei anderen kommen aus Idaho und Vermont. Während ich mit Ihnen spreche, ist das FBI schon dabei, alles einzupacken. Kings Labors werden versiegelt, die ersten Kühlwägen treffen ein, und die Agenten durchkämmen unsere Büros, um die Karteien unter die Lupe zu nehmen. In weniger als einer Stunde wird alles verschwunden sein, Chef.«

6
    Am Morgen nach seinem ersten Tag in Durrisdeer parkte gegen acht Uhr ein schwarzes BMW-Coupé vor dem Haus von Frank Franklin. Die Tochter der Emersons kam, um ihm die Ländereien der Universität zu zeigen. Den Vortag hatte Frank damit zugebracht, seine Umzugsprobleme zu regeln, in Concord alles Lebensnotwendige einzukaufen und gewisse Nahrungsmittelreserven anzulegen. Einige Professoren waren vorbeigekommen, um sich vorzustellen. Franklin musste stundenlange nichtssagende Unterhaltungen über sich ergehen lassen und Litaneien von Ratschlägen anhören, auf die er gut hätte verzichten können. Danach wusste er noch immer nichts über die Räumlichkeiten, in denen er unterrichten sollte. Mit wachsendem Erstaunen sah er die Tochter des Dekans näher kommen. Er fand sie wundervoll. Sie war eine strahlende, großgewachsene Frau von etwa zwanzig Jahren und vollkommen weiß gekleidet, Dreiviertelmantel, Kappe, Schal, Handschuhe und gefütterte Stiefeletten, dazu dezent geschminkt und ihre blonden Locken lagen auf einem Kragen aus Kunstzobel. Die blauen Augen waren der einzige Farbfleck an ihrer Person.
    Sie begrüßten sich, jeder ein wenig eingeschüchtert vom anderen, dann stieg Frank in den BMW ein.
    Nachdem sie das Dorf der Professoren verlassen hatten, stellte Frank überrascht fest, dass sie sich wieder vor einem ferngesteuerten Tor befanden. Dieses hier war moderner als die verschnörkelten Eisengitter des Südeingangs. Anstatt wie Higgins eine Fernbedienung zu benutzen, drückte Mary auf einen Knopf über ihrem Rückspiegel. Das Tor öffnete sich.
    Franklin betrachtete den Wald, der an dieser Stelle weniger dicht war. Im Park taten sich weite Rasenflächen auf, die von Bächen und Teichen gesäumt und unter einer unbeweglichen Nebeldecke verborgen waren. Holzboote lagen verlassen an den Ufern. Der Schnee deckte alles zu. Eine Hirschkuh und ihr Kitz

Weitere Kostenlose Bücher