Kein Entrinnen
flohen beim Nahen des BMW, ebenso wie eine Schar Krähen dicht über den weißen Tannen und Birken.
Im Herzen dieser Landschaft tauchte schließlich am Ende einer fürstlichen Allee das Schloss auf. Monumental groß und fünf Stockwerke hoch, mit hohen Ecktürmen und einer Steinfassade mit neugotischen Skulpturen, ganz nach Art dieser Besessenen im 19. Jahrhundert, die alle Stilrichtungen kopierten, um so zu tun, als besäßen sie selbst einen. Franklin sah wie gebannt zu, wie das Gebäude vor ihm größer wurde.
»Das ist das Wohnhaus von Ian E. Iacobs«, sagte Mary. »Er hat dort einen großen Teil seines Lebens verbracht. Heute beherbergt es den Verwaltungstrakt der Universität. Ich gebe zu, es wirkt mehr wie ein verwunschenes Museum. Es ist so protzig wie nur möglich und nicht zu heizen. Aber es ist eben Durrisdeer!«
Sie parkte nicht auf dem großen ovalen Vorplatz, den ein im Augenblick abgestellter Brunnen zierte, sondern wandte sich nach rechts und drückte auf einen zweiten Knopf über ihrem Armaturenbrett. Eine elektrische Tür am unteren Ende einer Rampe rollte hoch und gab die Zufahrt zu einer Parkgarage frei.
»Der Verwaltungschef, der zwischen 1970 und 1978 hier tätig war, fand den Anblick der Autos, die vor dem Schloss parkten, abstoßend. Er war der Ansicht, sie würden die Wirkung des Orts schmälern. Seitdem darf man sein Auto nicht mehr draußen stehen lassen. Im Winter ist das allerdings sehr praktisch.«
»Es gibt eine Menge Geld hier …«
»Ja. Spenden. Vor allem aber Ländereien. Es genügt, ein paar Hektar an Baufirmen zu verkaufen, um die Kasse wieder zu füllen. Man verkauft die Fläche eines Golfplatzes und die Universität hat zehn Jahre lang ihre Ruhe.«
Von der Parkgarage stiegen sie eine Eisentreppe hinauf und gelangten in der Nähe des Gebäudes wieder ins Freie.
Es herrschte bittere Kälte. Frank beobachtete Mary und ihre Stiefeletten, die im Schnee versanken; sie ging mit leicht vorgebeugtem Oberkörper. Sie hatten beide die gleichen lockigen blonden Haare. Er dachte, dass sie auch andere Gemeinsamkeiten hatten: Sie waren beide Kinder von Professoren und waren in oder in der Nähe einer Universität aufgewachsen. Die gleichen Bezugspunkte, die gleichen Arten von Freunden, der gleiche, von den Studiensemestern vorgegebene Jahresrhythmus und so weiter.
»Wir werden zuerst alle Einrichtungen besichtigen«, sagte sie zu ihm. »Anschließend kommen wir hierher zurück. Ihr Treffen mit meinem Vater findet in seinem Büro im dritten Stock statt. Macht es Ihnen etwas aus, ein wenig zu Fuß zu gehen bei dieser Kälte?«
»Ich folge Ihnen.«
Die gegenüberliegende Fassade des Schlosses wurde von einer großen, leicht abfallenden Wiese mit markanten Konturen beherrscht. An ihren Seiten am Waldrand erkannte Frank mehrere Häuser verschiedener Größe und in verschiedenen architektonischen Stilrichtungen.
»Hier befindet sich alles«, erklärte Mary. »Jeder Fachbereich hat seinen Platz, aber sie liegen sich alle gegenüber.«
Sie bog in einen Weg rechter Hand ein, der zwischen den Bäumen hindurchführte.
»Hierherum, so kommen wir schneller in Ihre Klasse. Tut mir leid, aber für die Reihenfolge der Sehenswürdigkeiten kann ich nichts.«
»Warum sagen Sie das?«
Sie machte eine Kopfbewegung und lächelte. Wenig später erreichten sie einen alten Friedhof.
»In der Tat …«
Der Friedhof nahm eine regenbogenförmige freie Fläche ein und war von einem schwarzen Gittertor verschlossen. Franklin zählte etwa ein Dutzend alte, bröcklige Grabsteine, manche davon schief, deren Sockel von Unkraut umwuchert waren.
»Das ist der Friedhof der Iacobs«, sagte Emersons Tochter.
Er näherte sich der Umfriedung, um die Grabinschriften zu lesen, und erblickte beinahe sofort eine Vielzahl von Ian Iacobs. Die älteste Grabinschrift trug das Beisetzungsdatum von Ian A. Iacobs. Es folgten Ian B., Ian C. und Ian E., der Gründer der Universität. In anderen Gräbern ruhten die Ehefrauen und unbekannte Persönlichkeiten.
»War dieses Haus schon lange Stammsitz der Iacobs?«
»Nein, tatsächlich erwarb Ian E. es im Jahr 1874. Er ließ anschließend seine ganze Familie auf diesem Friedhof bestatten, wobei er genau bestimmte, wer wo begraben wurde. Es heißt, er hätte einige schwarze Schafe unter seinen Verwandten ausgeschlossen. Er war der letzte der Familie, der sich 1905 hier bestatten ließ.«
Doch inmitten dieser Gräber erblickte Franklin plötzlich eine nagelneue, frisch gravierte
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