Kein Entrinnen
Universität, erfahren haben, dann verstehen Sie besser.«
Die zwei Männer erklommen die Stufen der Vortreppe und Frank öffnete die Eichentür. Die riesige Halle mit ihrer hufeisenförmigen Treppe, an deren Fuß mitten an der Wand Iacobs Porträt vor seiner Charta prangte, wurde sichtbar. Seitdem er hier lebte, hatte Franklin mit der Zeit seine ersten Eindrücke, das Barocke und Maßlose der Örtlichkeiten vergessen. Boz lächelte strahlend.
»Es ist zu schön, um wahr zu sein. Wenn man sich eine dreihundert Jahre alte Universität vorstellen wollte, mitten auf dem Land im England von anno dazumal, die vom Geist von Generationen königlicher Sprösslinge durchweht wird, dann könnte man es nicht besser machen. Ein Graf von Leicester in Galauniform würde sich bestens in diesem Prunk machen.«
Boz zeigte auf das Gemälde.
»Und er? Ist das Ihr Iacobs?«
»Ja«, antwortete der Professor. »Eine echte Persönlichkeit.«
»Wenn jemand es wagt, ein Porträt von sich mit einem derart dreisten Blick malen zu lassen, dann sagt das schon einiges über den Mann!«
Es stimmte, dass Iacobs auf seinen Gemälden einen »ungehörigen« Gesichtsausdruck zur Schau trug. Seine Wandnachbarn, ehemalige Professoren, sahen alle aus wie … Leichen. Was sie seit undenklichen Zeiten ja auch waren. Iacobs jedoch machte immer einen quicklebendigen Eindruck.
Frank erbot sich, die Reisetasche seines Gastes nach oben zu tragen.
»Ich bringe Sie nun zu Ihrem Apartment«, sagte er mit einem Blick auf die Uhr zu ihm. »Es ist schon spät. Wir können bei mir zu Abend essen, wenn Sie möchten.«
»Selbstverständlich. Und wir machen uns wieder an die Arbeit. Ich habe Ihnen Manuskripte mitgebracht. Bücher, auf deren Veröffentlichung ich verzichtet habe. Sie werden der Erste überhaupt sein, der sie liest.«
Franklin zeigte sich sehr geschmeichelt. Sie stiegen die Stufen hoch und durchquerten den Ballsaal, dann erklommen sie eine Wendeltreppe in einem der Ecktürme.
Franklin füllte so gut er konnte das Schweigen, das sich zwischen ihnen breitgemacht hatte.
»Die meisten Zimmer des Schlosses wurden in Büros für die Professoren umgewandelt, aber Iacobs Privatgemächer hat man nicht angetastet. Sowie auch seine Bibliothek, sein Arbeitszimmer und bestimmte Nebengebäude.«
Boz musterte die Leuchter und die Wandbespannungen, die Gemälde, die Wandlampen, die mit Einlegearbeiten verzierten Türfassungen, die endlosen Teppiche auf den Gängen.
»Das ist ein wundervoller Rahmen, um zu unterrichten.«
»Die Schüler lieben es. Die Professoren allerdings viel weniger. Alles liegt weit auseinander, im Winter ist das Schloss eiskalt, die Elektrik ist in einem erbärmlichen Zustand, es gibt keinen Aufzug für die oberen Etagen …«
Er öffnete eine Doppeltür.
»Hier sind wir.«
Die Gemächer des ehemaligen Hausherren. Zuerst ein Salon mit ockerfarbenem Teppichboden und Vorhängen, Wände mit sehr dunklen Holzvertäfelungen, tiefen Sofas und sogar einem Cembalo aus Mahagoni. Dann kam das Schlafzimmer mit einem großen Himmelbett, Anrichten und Kleiderschränken, in denen man selbst Leichen hätte unterbringen können. Schließlich das Badezimmer mit einer Wanne auf Füßen, Kacheln aus grauer Vorzeit und frei liegenden Rohren.
Frank stellte den Koffer ab, Boz ging sich die Hände waschen.
»Es ist beinahe wie ein Theaterdekor«, rief er vom Badezimmer aus. »Man erwartet direkt Gespenster, Geheimgänge und Verliese, um das Bild abzurunden.«
»Das ist ganz im Sinne von Iacobs.«
Wie vereinbart stiegen sie dann ins Erdgeschoss hinab, um Franklins Haus aufzusuchen. Der Professor fuhr Boz in seinem alten Käfer hinüber.
»Hier passieren doch bestimmt allerlei Geschichten?«, fragte der Schriftsteller, während er um sich blickte. »Abenteuer, verschwundene Personen, Morde, was weiß ich? In einer solchen Kulisse, mit heißblütigen jungen Leuten ist doch alles möglich.«
Frank schüttelte den Kopf.
»Soweit ich weiß nicht. Abgesehen vom Selbstmord eines jungen Mädchens 1959, das erhängt im Theater gefunden wurde. Aber ich bin erst seit drei Monaten hier. Es gibt bestimmt Geschichten, die man mir noch verheimlicht.«
»Ich finde diesen Wald ziemlich unheimlich. Fast alle Wälder sind das, im Übrigen ist der Wald ein Element, das nach Einbruch der Nacht schrecklich feindselig wird. Ich mache mir das oft in meinen Büchern zunutze.«
»Wie in Der Kreis der Selbstmörder . Ich habe mir das Buch gerade besorgt.«
»Genau.«
Sie
Weitere Kostenlose Bücher