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Kein Fall für Mr. Holmes

Kein Fall für Mr. Holmes

Titel: Kein Fall für Mr. Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney Hosier
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Hauspersonals, was das, wie Sie es ausdrücken, Warum und Weshalb betrifft, nicht wahr?«
    Er antwortete nicht unmittelbar, und ich konnte spüren, daß er sich zwar geschmeichelt fühlte, weil ich seinen Status anerkannte, es ihm aber unangenehm war, wenn er gebeten wurde, über einen privaten Vorfall aus der Vergangenheit der Familie zu plaudern.
    »Ich kann Ihnen nur folgendes sagen«, antwortete er nachdenklich. »Es wurde hinter der Hand erwähnt, daß man seiner Frau eine bestimmte Menge Geld gegeben hatte, mit der Bedingung, daß sie eine Schiffskarte entweder nach Australien oder Kanada löste.«
    »Aber warum?«
    »Sie gehörte nicht derselben gesellschaftlichen Schicht an. Eine Arbeiterin war sie, aus dem Dorf.«
    »Wessen Idee war denn das gewesen?«
    »Daß sie gehen sollte? Lady St. Clairs. Sie war in dieser Angelegenheit recht unnachgiebig, wenn ich mich recht erinnere. Sie müssen jedoch verstehen«, fügte er – seine verstorbene Arbeitgeberin entschuldigend – hastig hinzu, »dies geschah nicht aus Böswilligkeit seitens Ihrer Ladyschaft. Es ist nur einfach so, daß der Adel in einer anderen gesellschaftlichen Struktur lebt als wir. Sie verstehen?«
    Ich nickte voller Verständnis und fuhr mit meiner Befragung fort. »Und der Squire, war er mit all dem einverstanden?«
    »Er hatte die Wahl. Entweder auf Haddley zu bleiben oder sich mit seiner Frau ein neues Leben in Übersee aufzubauen. Für den Squire war die Entscheidung leicht. Er entschloß sich, hierzubleiben.«
    »Gingen aus dieser Verbindung Kinder hervor?«
    »Ein Kind. Ein Mädchen. Man kam überein, daß sie hierbleiben sollte, um auf Haddley großgezogen zu werden. Aber das war ein Handel, der von der Mutter nicht eingehalten wurde.«
    »Wie lang ist all das denn her?«
    Er grübelte eine Weile über diese Frage nach. »Ich würde sagen«, antwortete er schließlich, »nicht länger als zwanzig Jahre, höchstens.«
    »Und die Frau des Squire und die Tochter wurden seitdem nie wieder gesehen?«
    »Nie. Obwohl eine Zeitlang Briefe ankamen, die in Kanada abgestempelt waren.« Er schwieg einen Moment. »Oder war es in Australien? Jedenfalls«, fuhr er fort, »nahmen Mrs. Hogarth und ich an, sie seien von der Frau des Squires.«
    Als ihm die Fülle der Informationen bewußt wurde, die er gerade vermittelt hatte, flehte mich der ehrwürdige alte Herr mit deutlichen Worten an, das Gehörte unbedingt vertraulich zu behandeln. Ich versicherte ihm überaus glaubhaft, daß ich dies tun würde, woraufhin ihn ein ruhiges und tiefes Gefühl von Erleichterung überkam.
    Wir gingen schweigend weiter, bis ich von Hogarth gefragt wurde, ob die Informationen, die mir nun anvertraut waren, in irgendeiner Weise meinen Untersuchungen dienlich wären.
    »Im Moment«, antwortete ich mit einem müden Seufzer, »ist alles Nahrung für meine grauen Zellen.«
    »Ah, da wir gerade von Nahrung sprechen, Mrs. Hudson«, verkündete mein neuer Vertrauter, als wir uns der Tür am Ende des Flures näherten, »die Küche wartet.«
    Alle Gedanken an weitere Fragen verblaßten, als plötzlich Bilder von köstlichem Roastbeef vor meinen Augen schwirrten.
    )

10. Das Zimmer im obersten Stockwerk
     
    Mit dem Schlüssel in einer Hand, der Kerze in der anderen, einer Handtasche, die an meinem Gelenk hing, und einem Gefühl der Beklommenheit im Herzen ging ich vorsichtig einen scheinbar nie enden wollenden Flur entlang, der in Schwärze und böse Vorahnung getaucht war.
    Ich erinnerte mich daran, daß Hogarth erwähnt hatte, daß es über anderthalb Jahrhunderte her war, seit diese oberen Räume zuletzt bewohnt gewesen waren, und ich hatte das Gefühl, als hätte ich einen Zeittunnel betreten, in dem jeden Moment eine Tür aufgerissen werden würde, und zwar von einer nebligen Erscheinung aus dem 17. Jahrhundert, die eine Erklärung für meine unerwünschte Anwesenheit forderte.
    So, wie die Dinge lagen, tröstete mich der Gedanke nur wenig, daß mein Schatten, der durch die flackernde Flamme in Größe und Gestalt verzerrt wurde, mein einziger Begleiter war. Wie sehr ich mir doch aus tiefstem Herzen wünschte, daß Vi bei mir gewesen wäre!
    Wenn die Stimmen, die mich geweckt hatten, in der Tat aus dem Raum über dem Schlafzimmer von Violet gekommen waren, dann mußte die Tür, vor der ich nun stand, gezwungenermaßen diejenige sein, die ich suchte. Ich drückte mein Ohr dagegen und lauschte – warum, weiß ich wirklich nicht. Ich nehme an, es war eine natürliche Reaktion,

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