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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kehrer
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Behinderung natürlich. Du mußt dir doch vorkommen wie ein Invalide.«
    Wie ich bereits erwähnte, war Koslowski nicht besonders einfühlsam.

    Dummerweise hatte der Hauptbahnhof drei Eingänge, und von unserem Fensterplatz im Café aus konnten wir nur die beiden vorderen überblicken. Wenn der Junge, von dem ich annahm, daß er etwas über meinen toten Schwager wußte, durch den Osteingang kam, würde das die Sache außerordentlich verkomplizieren. Käme er aber überhaupt nicht und müßte ich Koslowskis Dienste weitere Abende in Anspruch nehmen, würde mir Sigi wahrscheinlich den Wiedereinstieg in die Detektei abpressen.
    Während ich diesen niederschmetternden Gedanken nachhing und den zweiten Cappuccino (aus Nicaraguakaffee und Vorzugsmilch) schlürfte, las Koslowski in einer Zeitschrift und stieß dabei kleine Lacher aus.
    »Was ist denn so lustig?« erkundigte ich mich gelangweilt.
    »Der Diätplan von Helmut Kohl. Der Kerl muß doch bekloppt sein, wenn er eingeweichte alte Brötchen lutscht. Bei seinem Gehalt.«
    »So, wie er aussieht, hat er vermutlich einen Sack Pralinen unter dem Bett versteckt«, gab ich zurück.
    Und dann sah ich ihn auf dem Fahrrad.
    »Scheiße«, sagte ich.
    »Was ist los?« fragte Koslowski.
    »Er hat ein Fahrrad. Da! Der Junge mit den kurzen blonden Haaren und dem grünen T-Shirt.«
    »Dann brauche ich auch ein Fahrrad«, folgerte Koslowski messerscharf.
    »Richtig.«
    Der Junge schloß das Fahrrad ab, schlenderte langsam an einem Kino vorbei und verschwand dann im Hauptbahnhof.
    »Behalt das Fahrrad im Auge!« sagte ich zu Koslowski. »Ich sehe zu, daß ich eins auftreiben kann.«
    Ich ging zur Theke und fragte nach einem Telefon. Der langhaarige, langbärtige, junge Mann griff nach unten und brachte ein Telefon zum Vorschein. »Kostet fünfzig Pfennig pro Einheit.«
    Thomas hörte sich so an, als hätte er gerade eine harte Arbeit verrichtet. »Ich war schon im Bett«, stöhnte er.
    »Allein?«
    Er grummelte.
    »Ich brauche dein Fahrrad.«
    »Jetzt sofort?«
    »Ja.« Ich machte ihm klar, daß er es zum Hauptbahnhof bringen müsse, und versprach ihm für das nächste Wochenende ein fürstliches Essen als Entlohnung.
    Eine Viertelstunde später war er da, mit zerzausten Haaren und einem falschgeknöpften Hemd. Gemeinsam tranken wir noch einen Cappuccino, dann verabschiedete er sich wieder. Koslowski verstaute den Fahrradschlüssel in seinem fliederfarbenen Blouson.
    Gegen zwölf kündigte die Bedienung die letzte Runde an (ich nahm einen Espresso und einen Grappa), und um halb eins begannen sie damit, die Stühle auf die Tische zu stellen. Koslowski und ich waren inzwischen die letzten Gäste.
    Kurz darauf legte eine Ringelpulli-Frau wortlos die Rechnung auf den Tisch.
    »Ich habe das Gefühl, die wollen uns loswerden«, sagte Koslowski.
    »Der Gedanke ist mir auch schon gekommen.« Ich schob zwei Scheine unter die Rechnung.
    Wir versteckten uns hinter einer Säule des Kinos, in dem inzwischen auch die Lichter ausgegangen waren. Der Film, den sie zeigten, handelte von wildgewordenen Dinosauriern.
    Die Nacht war erstaunlich mild. Abgesehen von einem leisen Pochen in meinem Bein, war das Warten halb so schlimm.
    »Was ist, wenn er mit jemandem mitgefahren ist?« sagte Koslowski.
    »Und wenn schon! Irgendwann wird er kommen und sein Fahrrad holen.«
    »Ich hatte nicht vor, bis morgen mittag zu bleiben.«
    »Red keinen Unsinn! Das ist nicht der Typ, der bei fremden Kerlen übernachtet.«
    »Woher kennst du dich da so genau aus?«
    »Hast du dir sein Fahrrad angeguckt? Das kostet mindestens siebenhundert Mark. Das läßt man nicht einfach am Bahnhof stehen. Übrigens, da vorne kommt er.« Ich zeigte zum Haupteingang.
    »Dann wollen wir mal!« Koslowski zog den Reißverschluß seines erstaunlich geschmacklosen Blousons zu und watschelte zum Café zurück, wo Thomas’ Rennrad stand. Ich zog mich weiter hinter die Säule zurück und betrachtete kritisch die massige Gestalt. Koslowski brachte locker über hundert Kilos auf die Waage. Würde er mit einem schmächtigen Fünfzehnjährigen mithalten können? Ohne Krafttraining?

    Die Antwort war ja, und sie wurde mir vierzig Minuten später mitgeteilt. Keuchend und ziemlich verschwitzt stoppte Koslowski vor dem Kino. »Ich weiß, wo er wohnt«, verkündete er triumphierend.
    Das Haus stand in der Theißstraße, ein ehemals schönes Bürgerhaus, das jemand bewußt verfallen ließ, damit er auf dem Grundstück ein doppelt so hohes und mit dreimal

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