Kein Fleisch macht gluecklich
schon fest, und der Viehanhänger war da. Aber wir haben ihn nicht reinbekommen. Der hat getobt wie ein Verrückter. Wenn er nicht mehr konnte, weil er zu erschöpft war, dann hat er die Füße abgespreizt wie ein Sägebock und richtig geschrien. Das war grausam. Ich hab dann zu dem Metzgermeister gesagt, das könnten wir nicht mehr verantworten. Daraufhin fuhr der mit seinem Auto nach Balingen in den Schlachthof und erkundigte sich, ob wir den Bullen nicht vor Ort mit dem Bolzenschuss-Apparat betäuben dürften. Das ist dann auch passiert, und ich habe mich gefragt, warum nicht gleich so? Danach habe ich nie mehr ein Tier lebend transportiert. Nie mehr. Ich habe nicht gewusst, dass ich tote Tiere gar nicht zum Schlachthof transportieren darf. Bei den nächsten Schlachtungen hat man die Tiere angebunden und mit dem Bolzenschuss-Apparat betäubt. Einige konnte man aber nicht anbinden, und so ein Apparat eignet sich nicht besonders für frei laufende Tiere. Irgendwann hatte ich einen Bullen nur angeschossen, also nicht richtig betäubt. In Schlachthöfen passiert ja alles Mögliche, aber mir ist es halt auch passiert. Der hat mich dann nicht mehr an den Kopf gelassen, natürlich, der war ein bisschen verletzt und scheu. Da bin ich zu unserem damaligen Revierförster gefahren und habe gefragt, ob er nicht das Tier schießen würde. Der tat mir den Gefallen. Warum nicht gleich so? Warum mit dem blöden Bolzenschuss-Apparat rumfummeln, wenn es Gewehre gibt? Dass der das nicht durfte, auf diese Idee wäre ich gar nicht gekommen. Ich habe gedacht, das machen wir jetzt immer so. Für einen Jäger ist es natürlich was ganz Tolles, wenn er mal so einen richtigen Bullen schießen kann und nicht bloß so ein armseliges Reh auf 50 Meter vom Hochsitz aus. Ich hatte daher keine Probleme, Jäger zu finden, die mir die Tiere schießen wollten. Die sind praktisch fast Schlange gestanden, waren aber auch ein Unruhefaktor für die Herde. Die Tiere haben diese fremden Personen oft misstrauisch beäugt. Ich habe dann gedacht, ich müsste das selber tun, das wär optimal.«
So ist es auch gekommen, doch zunächst gab es eine Anzeige, da ein Jäger einen Bullen nicht gleich beim ersten Schuss betäubt hatte. Bald darauf kam das Verbot, selbst vor Ort zu schlachten, und ein endlos langer Krieg mit den Behörden und Gerichten begann. Maier blieb stur.
»Diese Schlachterei macht mir eh keinen Spaß, ich würde die Tiere eigentlich viel lieber leben lassen. Und wenn ich jetzt nicht so schlachten darf, wie ich will, dann schlachte ich eben gar nicht mehr, so lange, bis ich die Genehmigung habe, dachte ich damals. Dass es über 13 Jahre dauern würde, hätte ich natürlich nicht erwartet. Die Tiere haben sich vermehrt. Wir hatten noch Fleisch in der Gefriertruhe. Als das zu Ende ging, sind wir Vegetarier geworden. Ich hab geschafft wie ein Blöder, um meine Heurechnungen zu bezahlen, die Tiere sind immer zahlreicher geworden, wir konnten nicht verkaufen oder nur einen Bruchteil von dem, was wir hätten sollen. Immer wieder mal eine ›Notschlachtung‹. Der Schlachthoftierarzt hat uns unterstützt.« Die offizielle Genehmigung für Maier, Tiere auf der Weide selbst mit einem Gewehr betäuben zu dürfen, kam im Jahr 2000 vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.
Milchsklaven
Die Scham vor den eigenen Gefühlen erschwere in der Landwirtschaft den Tierschutz, glaubt Maier. Tierhalter machten einen anstrengenden Job in einem Umfeld von anderen Bauern, Metzgern, Viehhändlern und Veterinären, in dem es ihnen schwerfalle, sich Gefühle für ihre Tiere einzugestehen. Wenn er aber mit den Leuten spreche, erfahre er, dass viele oft verbogen worden seien und ihre Not mit Zwängen hätten, die sie so gar nicht wollten. Auch seien Landwirte seiner Erfahrung nach im alten Denken gefangen, wie Landwirtschaft zu laufen habe; nur das erscheine ihnen normal. »Aber das ist nicht normal.« Maier weiß, dass es anders geht. Doch er sieht auch Grenzen bei der artgemäßen Rinderhaltung. »Man muss ehrlich sein: Eine Milchviehhaltung kann niemals eine artgemäße Haltung sein. Es ist eine Sklavenhaltung. Es gibt sehr wohl milde Formen dieser Sklaverei, und es gibt Leute, die es gut machen und ihre Tiere lieben. Die nehmen den Kühen die Kälber gleich nach der Geburt weg. Dann ist der Trennungsschmerz am geringsten. Biobetriebe haben oftmals in ihren Richtlinien stehen, dass man die Kälber eine gewisse Zeit saugen lassen soll oder muss. Doch das halte ich
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