Kein Fleisch macht gluecklich
für ganz verkehrt, denn wenn man ihnen nachher das Kalb wegnimmt, ist es noch schlimmer. Ich trinke Milch in meinem Kaffee, und ich weiß ganz genau, diese Kuh wurde nicht artgemäß gehalten, sonst hätte man sie nicht gemolken, sondern das Kälbchen hätte gesaugt. Die Kuh ist nicht erschaffen worden, um Milch für die Menschen zu geben. Der Mensch ist auf die Idee gekommen, und ich finde das nicht so verwerflich. Ich finde es nur absolut verwerflich, wenn in der Hochleistungs-Milchviehhaltung diese Tiere, sobald sie ausgepowert sind und nicht mehr trächtig werden, weggeworfen werden wie ein Stück Dreck. Dass man irgendeinen Viehhändler anruft und sie, wenn es ganz blöd läuft, womöglich noch im Libanon landen. Aber auch sonst ist es schon schlimm genug. Eine Milchkuh hat wenigstens verdient, dass man sie an Ort und Stelle betäubt und tötet. Alles andere ist verwerflich und nicht zu verantworten. Das predige ich vor allem meinen Biokollegen.«
Die Art und Weise, wie Fleisch in Deutschland produziert wird, ist für meine Ansprüche absolut unbefriedigend. Die Züchter, Mäster und Schlachtbetriebe achten bei ihrer Arbeit keineswegs darauf, dass die Tiere so wenig leiden wie möglich, egal ob legal oder illegal, denn Tierschutzgesetz und Kontrollbehörden lassen ohnehin viel zu viele Ausnahmen zu. Um das Wohl der Tiere geht es meist nur dann, wenn es sich rechnet. Aber selbst, wenn so »ideale« Bedingungen wie bei Herrn Maier herrschen, reicht mir das nicht als Rechtfertigung für den kulinarisch motivierten Tod der Tiere. Dafür habe ich wohl schon zu lange die Gedanken über Tierrechte im Kopf, die mich eines Nachts plötzlich heimgesucht hatten. Es ist Zeit, meine Bedenken noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Ist Fleischessen böse?
Philosophen, Schmerzen, Speziesismus
Eines Tages gingen Dschuang-Tsu und ein Freund am Ufer des Flusses spazieren. »Wie wohl sich doch die Fische im Wasser fühlen!«, rief Dschuang-Tsu aus. »Du bist kein Fisch«, sagte sein Freund, »wie willst du wissen, ob sich die Fische wohlfühlen?« »Du bist nicht ich«, sagte Dschuang-Tsu, »wie willst du wissen, dass ich nicht weiß, dass sich die Fische im Wasser wohlfühlen?« Der Freund entgegnete: »Sicher, ich bin nicht du, doch ich weiß, dass du kein Fisch bist.« Dschuang-Tsu sagte: »Ich weiß es aus meiner eigenen Freude am Wasser.«
Taoistisches Lehrgespräch
Mitten in der Nacht irrte meine damalige Freundin (und heutige Frau) mit mir in einem leeren Lkw ohne Straßenkarte über wahrlich finstere tschechische Landstraßen nach Wien. Mein Umzug nach Berlin stand an. Viel Zeit zu reden. Sie hatte an der Uni gerade das Seminar »Suizid II« besucht. Es ging um den australischen Moralphilosophen Peter Singer, der sich in seinem Buch Praktische Ethik ausführlich Gedanken über das Töten von Menschen und Tieren gemacht hat. Meine Freundin war schon Vegetarierin, seit ich sie kannte. Das war kein Problem für mich, mein Fleischessen war auch keines für sie. Ich kann mich nicht an ernsthafte Diskussionen über Ernährungsfragen erinnern. Vermutlich dürfte ich die üblichen Argumente vorgebracht haben: Es liegt in der Natur des Menschen, es ist gesund, es schmeckt einfach so gut, und der Löwe frisst ja auch das Lamm oder so.
Das Leben ist kein Ponyhof
Heutzutage erstaunt es mich, wenn man sich als zur Moral fähiger Mensch im gegenseitigen Fressen und Gefressenwerden die Natur als Vorbild nimmt. Bei den Themen Gleichberechtigung, Partnerschaft oder Konfliktlösungen würde man zur Rechtfertigung menschlichen Handelns wohl auch nicht auf Vorbilder aus der Natur verweisen wollen (bestenfalls auf die Bonobos). Der Verweis auf die Natur ist umso eigentümlicher, als doch nahezu einzig die Freiheit, moralisch zu handeln, den Menschen von den Tieren unterscheidet. Sie ermöglicht es ihm, sich gegenüber auch nicht menschlichen Lebewesen rücksichtsvoll zu verhalten. Beim Essen wird diese wahrhaft menschliche Fähigkeit ignoriert und auf die Natürlichkeit des Tötens und Fleischverzehrs verwiesen. Dabei kennt die nicht menschliche Natur überhaupt keine Moral. Entsprechend spricht man in der Moralphilosophie schon lange vom naturalistischen Fehlschluss, wenn man vom Sein (der Welt) auf das Sollen, also auf moralische Regeln, schließt. Ein solcher Fehlschluss begründet etwa das »Recht des Stärkeren«. Solch eine »Moral« gehört aber sicher nicht zu unseren zivilisatorischen Errungenschaften.
Der
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