Kein Fleisch macht gluecklich
DJV ist mit über 240000 Mitgliedern (bei rund 350000 Jagdscheininhabern) die größte Vereinigung von Waidmännern und -frauen in Deutschland und eine staatlich anerkannte, jawohl, Naturschutzvereinigung. Nachdem ich mich allerdings auch mit den kritischen (Internet-)Seiten der Jagd befasst habe, finde ich nun viele DJV-Argumente für das »Wildtiermanagement«, wie die Jagd auch genannt wird, weitaus weniger überzeugend als zuvor.
Jäger und Gejagte
Für ein objektiveres Urteil über die Jagd setze ich daher auf Derk Ehlert. Er war acht Jahre lang Jagdreferent für Berlin. Als ich ihn in seinem Büro besuche, spricht er am Telefon gerade über Vegetarier, doch es geht offenbar nur um die pflanzenfressenden Kaninchen der Stadt. Ehlert war für die Jagden in Berlin zuständig, ohne selbst Jäger zu sein. Daher würden ihn weder Jäger noch Tierschützer akzeptieren, sagt er. Das sei ihm aber so ganz recht, da bleibe er unbefangen.
Da ich keine Ahnung habe, wer überhaupt in Deutschland was jagen darf, gibt mir Ehlert eine kleine Einführung ins Jagdrecht.
Es gibt Berufsjäger und Förster, die die Jagd ebenfalls dienstlich ausüben, den größten Anteil bei den Jägern in Deutschland stellen aber die Hobbyjäger. Ihnen ermöglicht es eine Pacht oder ein Erlaubnisschein, in einem bestimmten Gebiet zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Anzahl von Tieren, abhängig von Art, Alter und Geschlecht, zu schießen. Jäger, die für mehrere Tausend Euro die ganze Pacht kaufen, dürfen die Beute – so heißt das – behalten. Sie sind für ihr Revier verantwortlich und müssen nachweisen, dass sie eine gewisse Anzahl an Tieren schießen, denn sie haften sonst für Wildschäden an Land- und Forstwirtschaft.
Was geschossen wird, darf aber nicht der Jäger oder Eigentümer allein entscheiden, das entscheiden das Bundes- und Landesjagdgesetz mit den Schonzeitenverordnungen sowie die Jagdbehörden. Die Zahl der zu schießenden Tiere richtet sich zum Teil nach den Schäden, die den Behörden von den Land- und Forstwirten aus den Revieren gemeldet werden. Eine jährlich ausgegebene »Streckenmeldung« sowie ein »Abschussplan« entscheiden dann, was die Jäger zur Strecke bringen dürfen. Da sind natürlich auch Tierarten dabei, die keine Schäden verursachen. Der gemeinnützige Verein »Komitee gegen den Vogelmord« kritisiert, dass die offiziellen Jagdstrecken, also die Zahl der erschossenen Wildtiere, ausschließlich von den Jägern selbst erhoben w ürden: »Eine Kontrolle auf Glaubwürdigkeit durch Behörden – und sei sie auch nur stichprobenhaft – findet in der Bundesrepublik nicht statt. Es ist davon auszugehen, dass die Jäger die Abschusszahlen von gefährdeten Arten (zum Beispiel Rebhühner, Baummarder) oder solchen, deren Abschuss in der Bevölkerung größeren Unmut auslösen könnte (zum Beispiel Höckerschwäne), absichtlich niedriger angeben.« Nähmen die Schäden an Land- und Forstwirtschaft überhand, zögen die Behörden die Abschusszahlen in den Streckenplänen nach oben, erklärt mir Ehlert. »Und Schadensmeldungen kommen bestimmt, denn Landwirte und Förster sind Ökonomen. Ich gehe durch den Wald und freue mich, dass da Vögel sind, der Förster sieht den Festmeter Holz und muss davon leben.«
Alles öko
Doch was zerstören Wildtiere in Wald, Feld und Flur überhaupt? »In Deutschland will man ja wieder naturnahe Wälder haben, in denen alles kreucht und fleucht und wachsen kann, was dazugehört«, sagt Elisabeth Emmert, »die Fichtenmonokulturen sind nicht mehr gewünscht.« Die Waidfrau ist Bundesvorsitzende des Ökologischen Jagdverbands (ÖJV), der für eine zeitgemäße und naturverträgliche Jagd wirbt. Rehe, Hirsche und Gemsen (offiziell zur Strecke gebracht laut DJV-Jagdstatistik des Jahres 2010/2011: 1138593 Rehe, 132505 Rot-, Dam- und Sikahirsche sowie 4473 Gemsen) fräßen aber bestimmte Jungpflanzen wie die von Laubhölzern und Tannen einfach lieber. Die jungen Fichten würden sie nicht so mögen, die wüchsen ungestört weiter. Auch bei den krautigen Pflanzen bevorzugten sie bestimmte Arten. Zu hohe Bestände an Reh und Hirsch führten daher zur Entmischung, erklärt mir Elisabeth Emmert. Wolle man in einem naturnahen Wald eine Vielfalt an Arten, müsse die Jagd diese Wildbestände so kontrollieren, dass die gesamte aus forstlicher und ökologischer Sicht gewünschte Waldvegetation aufwachsen könne, glaubt sie. »Wenn es strenge Winter gibt, die dazu führen, dass die Wilddichten
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