Kein Fleisch macht gluecklich
von einer globalen Adipositas-, also Fettleibigkeits-Epidemie. Sie schätzt, dass 2008 weltweit rund 1,5 Milliarden Erwachsene übergewichtig waren. Davon waren 200 Millionen Männer und fast 300 Millionen Frauen fettleibig. 2010 waren über 40 Millionen Kinder unter fünf Jahren übergewichtig.
Ursachenforschung
Vom Hunger sind noch immer besonders Kinder bedroht. Viele Schäden in den ersten Lebensjahren können später nicht mehr ausgeglichen werden. Schätzungsweise sterben jährlich über 2 Millionen Kinder an den Folgen der Unterernährung. Im Jahr 2009 gab es über 1 Milliarde unterernährte Menschen. Dabei werden eindeutig mehr Lebensmittel produziert, als benötigt würden, um die Welt zu ernähren, bestätigt mir Agrarfachmann Stig Tanzmann vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). »Die reine Produktionsmenge ist aber eine Verkürzung der Debatte. Sie wird von den Befürwortern der Gentechnik und Intensivierung in der Landwirtschaft immer wieder hervorgeholt, die sagen, wir müssen noch mehr produzieren«, sagt Tanzmann. Dabei hat die schlechte Versorgung in vielen Ländern andere Ursachen, etwa eine mangelnde Logistik für die Verteilung und Lagerung der Nahrungsmittel. Oder die Tatsache, dass an manchen Orten zu wenig und dafür an anderen Orten zu viel hergestellt wird. Es gibt Schätzungen, dass in Europa 30 Prozent der Lebensmittel vor dem Konsum weggeworfen werden, nicht nur in den Haushalten, sondern bereits auf den Feldern.
Die Mehrheit der Unterernährten ist derweil schlicht zu arm, um überhaupt Lebensmittel bezahlen zu können. Soja, Mais und andere Getreidesorten würden daher selbst dann nicht als Nahrung für Menschen angeboten, wenn die Nachfrage nach Futtermitteln geringer wäre, glaubt zumindest Henning Steinfeld, Mitautor des FAO-Berichts Lifestock’s Long Shadow . Die für die Futtermittel wegfallenden Mengen würden seiner Ansicht nach dann vermutlich gar nicht erst angebaut. Daher sollte vor allem die Kaufkraft der Armen verbessert werden, möglichst parallel zur gesteigerten Produktivität durch biologische Landwirtschaft – ohne Abhängigkeit von Kunstdünger, Pestiziden und Hybridsamen. Dann gäbe es mehr lokal produzierte Nahrungsmittel und zugleich ein Einkommen für die Menschen, mit dem sie sich diese auch kaufen könnten.
Dennoch drängt sich der Verdacht auf, dass die steigende Nachfrage nach Fleisch und Milch in den Industrieländern die Grundnahrungsmittel in armen Ländern verteuert, weil beträchtliche Mengen Getreide in den Futtertrögen von Tieren landen. Ein Argument von Tierzuchtlobbyisten lautet, das in Deutschland verfütterte Getreide sei nicht für den menschlichen Verzehr geeignet. Dem widerspricht Tanzmann vom EED: »Das ist oft Weizen, der nicht die allerbeste Backqualität hat, aber man könnte ihn ohne Weiteres essen. Außerdem könnte man auf der gleichen Fläche auch Backweizen, Roggen, Gemüse oder Obst anbauen.« Damit würde man weniger Fläche im Ausland beanspruchen und so auch die negativen Folgen für die dortige Umwelt und Bevölkerung verringern. »Die Nachfrage nach Getreide für Futtermittel ist zumindest einer der Faktoren, die zu einer Preissteigerung auf dem Weltmarkt führen«, glaubt auch Tanzmann. »Je mehr Tiere gefüttert werden, desto wahrscheinlicher steigen die Preise in einem gewissen Rahmen oder können sich oben halten.« Betroffen seien davon vor allem Menschen in Ländern, die Getreide auf dem Weltmarkt kauften, um daraus Grundnahrungsmittel herzustellen. Für weltweit immerhin 200 Millionen unterernährte Menschen in Städten würden Grundnahrungsmittel unter anderem dadurch teurer. In Westafrika seien die Weizenpreise zu hoch, sodass die Länder große Probleme hätten, ihre Bevölkerung mit günstigem Brot zu versorgen, berichtet Tanzmann. Er hält es für dringend erforderlich, dass diese Länder ihre eigene Getreideproduktion wieder in Gang setzen, um selbst Grundnahrungsmittel zu produzieren. Die heimische Produktion von Hirse, die dem in diesen Regionen nicht gedeihenden Weizen auch in der Nährstoffzusammensetzung überlegen sei, wäre lange Zeit nicht mehr rentabel gewesen. Der Grund: Getreide sei in den vergangenen 30 Jahren auf dem Weltmarkt extrem billig gewesen, unter anderem wegen der Exportsubventionen für Weizen aus der EU Ende der 1980er-Jahre und Anfang der 1990er-Jahre. Mittlerweile seien diese Subventionen abgeschafft und für die EU-Bauern aufgrund der hohen Weizenpreise auch nicht mehr
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